Orthodoxe Kunst in Äthiopien

Das Christentum hat viel zu erzählen, und wo zu seinen Anhängern viele Analphabeten gehören, erzählt es mit Bildern. Ganz besonders intensiv betätigt sich dabei die orthodoxe Kunst in Äthiopien. Seit Jahrhunderten pinselt man dort die Kirchen von oben bis unten voll mit Geschichten von Heiligen und Sündern.

Gestorben wird dauernd

Dabei spielen vor allem die verschiedenen Todesarten eine herausragende Rolle: Es wird geköpft, gehängt, gesteinigt, gepfählt – was man als Christ eben so macht, um sich zum Märtyrer fortzubilden oder einen Ungläubigen zu bekehren. Derlei ist durchaus lehrreich, so ist etwa der Heilige Stephan immer daran zu erkennen, dass er gesteinigt wird. Ein ebenfalls wiederkehrendes Motiv der äthiopischen orthodoxen Kunst sind die anderswo unbekannten Gebre Manfus Kiddus und Sankt Thekla.

Flügel statt Beine: Belohnung fürs Dauerbeten

Gebre Manfus Kiddus ist In Äthiopien bekannt dafür, dass er einem verdurstenden Vogel erlaubte, die Tränen aus seinen Augen zu trinken. Auf Bildern umringen ihn meist andere Tiere, etwa Löwen. Tekla Haimanot wiederum stand betend 22 Jahre lang auf einem Bein, bis das andere weggegammelt war. Danach betete er noch sieben Jahre lang weiter, bis auch das zweite Bein hin war. Für seine Anstrengung bekam er schließlich von Gott drei Flügel. Ob die jetzt irgendwie günstiger zu beschaffen waren als zwei neue Beine? Leider haben wir vergessen, den Dreiflügler zu fotografieren.

Augenmerk auf die Augen

Wie auch in der orthodoxen Kunst anderer Länder spielt der Heilige Georg eine herausragende Rolle, Maria klarerweise auch. Und wie ebenfalls bei den Kollegen in Osteuropa handelt es sich bei den Darstellungen nicht um eigene Interpretationen, sondern um getreuliche Wiedergabe dessen, was andere schon zigmal gemalt haben. Ungewöhnlich allerdings ist ein Detail in Äthiopien: Böse und Gute lassen sich ganz leicht erkennen, denn nur von den Guten sind beide Augen sichtbar. Wer nur mit einem Auge dargestellt ist, muss ein Böser sein. Manchmal irrte der Künstler sich, dann kratzten Gläubige einem Übeltäter ein zu viel gemaltes Auge wieder aus.