Verkehr in Asien

Wer an die Wiedergeburt glaubt, verhält sich im Alltag häufig anders als Leute, die von der Endlichkeit ihres Daseins überzeugt sind. Das zeigt sich besonders deutlich beim Verkehr in Asien, vor allen in den buddhistisch geprägten Ländern im Südosten. In Indien vertraut man deutlich weniger auf ein mögliches zukünftiges Leben und versucht, im jetzigen möglichst schnell vorwärts zu kommen.

Kambodscha

2006, sieben Jahre nach Ende des Krieges, waren Autos in Kambodscha noch sehr knapp. Die meisten Leute nutzten Fahrräder oder Mopeds für die Fortbewegung – oder sie gingen zu Fuß. Selten waren nicht nur PKW, sondern auch Lastwagen und andere Transportfahrzeuge. Weshalb fast alles auf Rädern und Mopeds befestigt wurde, was sich irgendwie befestigen ließ. Von unkomplizierten Dingen wie Kisten und Säcken bis hin zu Schweinen, Strohballen und Glasscheiben.

Keine Autos, das bedeutete auch: kein Krach. Phnom Penh war damals die leiseste Stadt, die wir in Asien besuchten. Keine hupenden Autos oder klingelnden Räder, und die Mopeds verzichteten sogar aufs Knattern. Angesichts fehlender Kraftwagen hatten die Zweiradfahrer ganz eigene Verkehrsregeln entwickelt (wenn man das denn „Regel“ nennen möchte). Wer links abbiegen wollte, schlängelte sich möglichst steil durch den entgegenkommenden Verkehr zur Einmündung seiner Zielstraße – nichts mit amerikanischem oder sonstigem geordneten Abbiegen. Entscheidend ist das defensive Herumfahren um die anderen Verkehrsteilnehmer. Für Europäer zunächst sehr ungewohnt, aber dann ganz angenehm. Man muss allerdings den KambodschanerInnen vertrauen, dass sie tatsächlich ausweichen.

Indien

Ob die britischen Kolonialherren das indische Verkehrssystem zu verantworten haben? Es hat jedenfalls nichts mit dem zu tun, was in Südostasien üblich ist. In Indien wird immer und überall gehupt, und zwar gerne völlig ohne Grund. “Defensiv” kommt offenbar im Wortschatz nicht vor: Auf einspurigen Straßen fährt man solange aufeinander zu, bis sich die beiden Autos gegenüber stehen und man sehen kann, wer stärker ist: Bus geht vor PKW, LKW geht vor Bus. Der Schwächere weicht dann aus, nötigenfalls auch in den Graben. Folglich können auch Fußgänger nicht darauf vertrauen, dass schnellere Verkehrsteilnehmer irgendwie um sie herum fahren würden – sie müssen schon selbst aufpassen, nicht plattgemacht zu werden.

Vietnam

Private Autos sind in Vietnam so teuer, dass sie praktisch nicht existieren. Man fährt Moped, Moped und Moped. Wer sich das nicht leisten kann, nimmt das Fahrrad oder in größeren Städten den Bus. Für den Transport aller möglicher Waren und auch von Menschen kommt ebenfalls häufig das Fahrrad zum Einsatz – um im Mekong-Delta Boote zweifelhafter Haltbarkeit. Die werden gerne so voll geladen, dass das Wasser schon fast über die Oberkante schwappt.

Wer als Fußgänger in Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt Straßen überquert, erreicht nach einiger Zeit (wenn er es denn überlebt) eine neue Bewusstseinsstufe. Man lernt, loszulassen (das eigene Leben) und zu vertrauen (den Hunderten Moped- und Fahrradfahrern, die überaus geschickt um einen herumkurven). Oberste Regel dabei: Niemals stehen bleiben oder gar rückwärts gehen. Das bringt die sorgsam gelösten Systeme von Differentialgleichungen durcheinander, die den anderen Verkehrsteilnehmern helfen, Zusammenstöße zu vermeiden.

Thailand

Bangkok kann beim Verkehr mit jeder westlichen Großstadt mithalten – zumindest was den täglichen Stau im Berufsverkehr angeht. Da helfen auch die schönsten neuen (Hoch-)Straßen nicht, man steht und steht und steht und hupt.

Eine Besonderheit bietet der Kanal, der an der Phanfa-Brücke beginnt. Auf ihm fahren (bis weit außerhalb der Innenstadt zum Wat Sriboonreung) regelmäßig Schnellboote, die Passagiere transportieren. Und zwar sehr, sehr schnelle Schnellboote. Ein- und Aussteigen erfordern etwas Gelenkigkeit und Tempo. Die Fahrt auf dem Kanal führt an Thompsons Haus und an den großen Shopping-Malls vorbei. Gelegentlich muss man den Kopf einziehen, weil eine Brücke zu niedrig ist. Aber richtig gefährlich leben die Fahrkartenverkäufer:innen. Sie turnen außen am Boot entlang, um das Geld zu kassieren, und müssen ständig aufpassen, nicht an einer der Brücken oder Haltestellen abgestreift zu werden.