Orthodoxer Kitsch in Osteuropa

Orthodoxen Religionskitsch in Europa zu fotografieren, ist gar nicht so einfach. In Griechenland geht es noch, da darf man in den Kirchen meist die Kamera benutzen. Aber in Bulgarien, Serbien und Rumänien stürzt sofort eines dieser alten Mütterchen auf jeden los, der den Fotoapparat ans Auge führt. Und diese Damen sind dann doch erstaunlich agil und erstaunlich ärgerlich. Wieder so ein Gott, der sich nicht selbst darum kümmern kann, dass seine Regeln eingehalten werden.

Vielleicht kommt die Aufregung daher, dass es eigentlich gar nix zum Fotografieren gibt. Denn die Ikonen sind immer gleich und sollen das auch sein. Die Erfindung der Perspektive ist spurlos an dieser Kunst vorübergegangen, so wie überhaupt jede Modernisierung. Und es fehlt der beste Heilige von allen: Die Orthodoxen haben keinen Sebastian, der bei den Katholiken immer so pittoresk vor sich hin leidet. St. Georg und sein Drache kommen da nicht mal entfernt ran, zumal das Ungeheuer wegen der mangelnden Perspektive immer an einen Schoß-Wolpertinger erinnert.

Einfacher ist es in Äthiopien. Nicht nur sind die Kirchen dort viel heller, es stört auch niemanden, wenn man die Gemälde darin fotografiert. Und thematisch geht es dort auch unterhaltsamer zu – Lieblingsthema der äthiopischen Künstler sind Mord, Totschlag und Märtyrertum.

Vielleicht ist es aber auch nur so, dass die osteuropäischen Orthodoxen ein etwas komisches Gefühl bei ihren Riten und Angewohnheiten haben und nicht alle Welt sehen soll, was sie so veranstalten. In Serbien etwa knutschen die Gläubigen mit großer Hingabe den Türstock der Kirchentür ab, und zwar sowohl beim Eintreten als auch beim Verlassen des Gebäudes. Erklärungen gibt es dazu wie immer nicht, es bleibt nur Spekulation: Womöglich wird der Türstock regelmäßig besonders durchdringend gesegnet, und die Besucher hoffen, sich etwas von diesem Segen einverleiben zu können? Handelt es sich um eine großangelegte Herpes-Desensibilisierung? Haben sie da sonst nix zum Küssen?