Blick auf symi mit kirche

Die Mutter aller Treppen auf Symi

6.7.2021

Rund 30 Kilometer entfernt von Rhodos und nur einen Steinwurf von der Türkei liegt die Insel Symi. Hier wohnten einmal rund 30.000 Menschen, die von der Schwammtaucherei und Fischerei lebten. Heute gibt es noch rund 2500 Einwohner, viele davon Briten und Franzosen. Von Rhodos fahren zahlreiche kleine Boote da hin, die allerdings den Aufenthalt auf Symi durch ein paar zwangsweise eingelegte Bade- und Klosterbesichtigungsstopps verlängern. Besser, man schaut sich ein bisschen online um, zum Beispiel bei Ferryhopper. So lassen sich Hin- und Rückfahrt beliebig zusammenbasteln. Einziger Nachteil: Man muss die ausgedruckten Tickets vor der Abfahrt beim Büro der Schifffahrtslinie abholen, und das liegt unter Umständen am Stadtrand.

Brachland vor der Stadt Rhodos
Der Weg zu den Fährtickets führt aus der Altstadt über eine beeindruckend hässliche Brache.

Was aber auch nicht schlimm sein muss: So bekamen wir den weniger romantischen Teil Rhodos’ direkt hinter der mittelalterlichen Stadtbefestigung zu sehen. Der erinnerte an eine dieser US-amerikanischen Ortsein- und -ausfahrten, wo irgendwo auf riesigen Brachflächen ein einzelnes Gebäude rumsteht, gerne auch halbverfallen. Dazwischen gurken LKW, Autos und Mopeds auf eigenartig verschlungenen Wegen herum, während die Fußgänger versuchen, etwas ähnliches wie ein Trottoir zu entdecken. Irgendwann kommt dann ein halb gescheitertes Shopping-Center mit Geldautomat, und da sitzt die Fährfirma. Niedrige Miete, vermutlich.

Hafeneinfahrt mit Schieflage

Nach zwei oder einer knappen Stunde, je nach Boot, trudeln die Besucher im Hafen von Symi ein. Erstaunlicherweise gehen die Schiffe dabei nicht unter, denn alle Welt stürzt auf die linke Seite, um das großartigste Foto des großartigen Panoramas zu schießen. Tipp: Kann man weniger beengt und viel entspannter auch noch vom Festland aus erledigen.

Häuser am Hafen von Symi
Rund um den Hafen von Symi stehen schmuck restaurierte klassizistische Häuser.

Am Hafen haben die Symioten (Symer? Symier? wer weiß) ihre schönsten klassizistischen Häuser hingestellt und herausgeputzt. Diese Postkartenidylle zieht sich den ganzen Berg hoch und sieht aus, wie man sich ein hübsch und ausnahmsweise nicht weiß-blau gestrichenes griechisches Dorf vorstellt. Von den Schiffen ausgespuckt, verteilen sich die Touristen in den wenigen Gassen um den Hafen herum, bevölkern die Tavernen und kaufen hoffentlich ordentlich in den Souvenirläden ein, bis sie sich vermutlich nach einer Stunde fragen, was sie eigentlich hier wollen. Zu sehen scheint es nämlich gar nichts zu geben, außer eben hübsch angemalte klassizistische Häuser.

Wer aber einen Blick auf seine digitale Karte wirft (und die hinreichend groß gemacht hat), sieht mitten in den Gassen eine Treppe. Eigentlich die Mutter aller Treppen, aber das weiß man erst, wenn man sie erklommen hat. 380 Stufen führen die Neugierigen in wenigen Windungen bis zum Marktplatz des Oberdorfes, wo sie sich in zwei Cafés und einigen Restaurants im Schatten erholen können.

Schwitzende Touristen als Freizeitvergnügen

Als wir vor 18 Jahren das erste Mal auf der Insel waren, damals für eine ganze Woche, machte es uns regelmäßig großen Spaß, die schwitzenden, rotgesichtigen, keuchenden Treppensteiger von einem der Cafés aus zu besichtigen. Diesmal schwitzten und keuchten wir selbst bei gefühlten 40 Grad. Oben fanden wir den erhofften Salat und Kaltgetränke sowie überraschend ein zwei Stunden dauerndes Gespräch mit einem französischen Paar.

Ruine in Symi
An der Treppe zum schattigen Bergplatz finden sich die weniger renovierten Häuser.

Rechts und links der Stufen stehen ähnliche Häuser wie unten – aber auch Gebäude irgendwo zwischen Schutthaufen und „müsste man mal restaurieren“, die man man vom Hafen aus nicht sieht. Allerdings sind es viel weniger als seinerzeit, und bei unserem Aufstieg sahen wir etliche Baustellen. Auf dem Schiff hatten wir eine französische Familie getroffen, die sich vor drei Jahren so ein Haus zugelegt und seitdem jeden Sommer dort verbracht hatte. Gar nicht so erstaunlich, denn der Ort wirkt trotz der Tagesbesucher:innen immer noch sehr beruhigend und in sich ruhend.

Sogar die beiden britischen Jungs, die wir bei unserem ersten Besuch kennengelernt hatten, leben immer noch auf Symi. Inzwischen verheiratet, wie der Leder-Tätowierer Tzakis erzählte. Stattgefunden habe die Hochzeit auf dem lokalen Standesamt. Das hätte in Athen wohl nicht geklappt, aber vielleicht stimmt die Geschichte so auch gar nicht. Denn offiziell gibt es keine gleichgeschlechtliche Ehe in Griechenland.

Lederbild von Takis
Solche Bilder sticht Takis mit einer heißen Nadel in Kuhhäute.

Tzakis hatte seinen Laden für Taschen, Gürtel und Sandalen damals auch schon, heute punktiert er außerdem Leder mit einer heißen Nadel und produziert dadurch Bilder. So ähnlich wie beim Kupferstich, nur dass er nichts einfärbt und druckt. Je stärker er die Nadel aufdrückt, desto dunkler der Punkt, Farbe kommt gar nicht ins Spiel. Mit dieser Methode hat er schon einige riesige Bilder gestochen, bei denen zumindest der Arbeitsaufwand beeindruckt. Der künstlerische Gehalt … manche würden „Kitsch“ dazu sagen. Sein Hauptthema sind zurzeit Porträts von Berühmtheiten wie Bruce Willis, Michael Jackson und Robin Williams.

Weniger Verkehr in Rhodos

Anders als früher gibt es inzwischen nennenswerten Verkehr auf Symi. Am Fähranleger warten die Abholenden mit ihren Pickups, Minibussen, Autos. Durch die engen Gassen am Hafen kurven die Motorräder, gerne ohne Schalldämpfer. Das wiederum dämpft das Vergnügen doch etwas, und wir genossen es, wieder in der ruhigeren rhodossischen Altstadt zu sein. Autos fahren höchstens auf der Straße direkt an der Stadtmauer entlang, überall sonst ist es zu eng oder zu holprig. Auch Mopeds beschränken sich auf die wenigen Straßen mit glatter Oberfläche.

Gasse in Rhodos mit abgestützter Mauer Gasse in Rhodos mit abgestütztem Torbogen
In den engen Gassen Rhodos' haben Fußgänger weitgehend ihre Ruhe. Solange nicht eines der etwas wackligen Bauwerke über oder neben ihnen einstürzt.

So können Fußgänger fast überall in Ruhe durch die verwinkelten Gassen stromern und hoffen, irgendwann ihr Ziel zu erreichen. Wie in Venedig, nur ohne Wasser und Brücken, aber mit ähnlichen Bildern des mählichen Verfalls. Beim Herumwandern stößt man immer wieder auf Steinkugeln zwischen Weiß und Grau, die einzeln oder in Gruppen herumliegen. Einer begegneten wir sogar mitten in einem Keramikgeschäft. Angeblich stammen sie aus der siegreichen Belagerung der Stadt durch die Ottomanen. Warum die danach ihre Kanonenkugeln nicht wieder eingesammelt und damit anderswo Krieg geführt haben – keine Ahnung.

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