Blick auf den großmeister palast

Nur Souvlaki, Gyros, Bifteki? Von wegen!

25.6.2021

Jeder kennt das: Grillplatte „Aphrodite“, Gyros mit Pommes oder Bifteki gemisto, dazu ein Klacks Tzatziki – das ist die typisch griechische Küche. Fleischlastig, reichhaltig und bodenständig. Und all dies findet sich auch in Rhodos an jeder Ecke: Souvlaki-Buden aus denen das Altöl qualmt und die Würzmischung in den Himmel zieht. Aber das ist nicht mehr die ganze Wahrheit.

Schon vor einem guten halben Jahr in Korfu fanden wir gleich drei Restaurants, die sich weit von gegrilltem Fleisch mit Pommes/Reis/Backkartoffeln entfernt hatten: „Rex“ und „Aegli“ an der großen Promenade und der „Venetian Well“ in der Altstadt. Falls mal jemand hinkommt: Unbedingt ausprobieren, und sich im Venetian Well das Degustationsmenü gönnen. Das kostet zwar viel mehr als die Currywurst an der Ecke, löst aber auch wesentlich größere Glücksgefühle aus. Vor allem der schwarze Heilbutt.

Ente mit Nüssen, Kumquat und senfiger Sauce Schwarzer Heilbutt mit Artischockencreme und Perlzwiebeln
Im „Venetian Well“ auf Korfu serviert man unter anderem Ente mit Kumquats (links) und Schwarzen Heilbutt mit Artischockencreme.

Offenbar ist Korfu kein Ausreißer, denn auch in Rhodos haben wir schon mehrere Restaurants mit anspruchsvollerer Küche erlebt. Darunter war zwar auch eins mit erschreckend anspruchslosem Service (das allseits vielgelobte „Hatzikeli“ – vielleicht noch im Pandemieschock?), aber die anderen brachten wunderbare Dinge zügig auf den Tisch. Im „Alexis 4 Seasons“ kamen sogar noch eine riesige Portion Nachtisch und ein süßer Dessertwein vom Haus – nach der auch nicht gerade kleinen, in Pergamentpapier gegarten Fischplatte für zwei. Dem französischen Paar am Nebentisch fuhr ordentlich der Schreck in die Glieder, als es plötzlich den Dessert-Teller hingestellt bekam: „Das haben wir nicht bestellt“ (en français, evidemment). Ihre Gesichter spiegelten hundert Jahre touristische Angst vor Abzocke wider. Sie ließen sich dann aber doch beruhigen und überzeugen, dass es sich um ein Geschenk handelte.

Manchmal muss man sehr schnell futtern

Im zwischen zwei Moscheen gelegenen „Romios“ bieten sie etliche Drei-Gänge-Menüs an. Unsere beiden waren großartig, obwohl anfangs der nächste Gang schon kam, bevor wir den vorherigen aufgegessen hatten. Mit Wildkräutern gefülltes Huhn, Lamm Kapamas (mit gehackter Leber, Reis und Pflaumen-Püree), Mazedonisches Orakel mit Yoghurt-Aioli – alles sehr solide, kein Schischi, und bei den angekündigten drei Gängen blieb es nicht: Immer wieder lieferte die Küche etwas Neues außer der Reihe.

Blüte des Kapernstrauchs Knospen des Kapernstrauchs
Kapernsträuche wachsen überall auf dem Monte Smith und blühen zurzeit. In Salz oder Essig eingelegt, landen die Knubbel rechts unter anderem in Kaliningrader Klopsen.

Angenehm gestärkt kann man sich auf Wanderungen begeben. Eigentlich eher ausgedehnte Spaziergänge, die sich bei 34 Grad im Schatten (und es gibt wenig Schatten) nach Wanderung anfühlen. Eine führte auf den innerhalb des Stadtgebiets gelegenen „Monte Smith“, der wirklich so bilingual heißt. Obendrauf stehen Reste von allem möglichen, in dem Archäologen mal einen Apollo-, mal einen Athena-Tempel erkennen. Unsereins sieht ein paar abgewetzte Fundamente, einige Säulenfragmente und drei von einem Gerüst gehaltene Säulen. Auf dem Monte wachsen zahlreiche Kapernsträuche und sehr filigrane Disteln, beides gerade in Blüte. Und es gibt ein von den italienischen Faschisten wieder aufgebautes ehemals antikes Stadion, das die hiesigen Jogger sehr schätzen. Überaus robuste und formschöne Zäune umrahmen Ausgrabungen und Wiederaufgebautes. Angesichts zahlreicher Lücken darin fragt man sich aber nach dem Sinn der Einfriedung – musste da Geld weg? Was es dort nirgendwo gibt, sind Erklärungen. Bei all dem Ausgraben und Zaundrumrumziehen bleibt vermutlich kein Geld übrig für ein paar Schilder, die den Besuchern Informationen geben.

Blaue Distelblüte
Filigrane, niedrige Disteln blühten überall am Monte Smith.

In der anderen Richtung, zwei Kilometer außerhalb der Stadt, liegt der verwunschene Rodini-Park. Er zieht sich links und rechts an einem Bachlauf entlang, den man immer mal wieder auf romantischen imperfekten hölzernen Brücken überqueren kann. Im und am Bach leben Enten, die völlig vergessen haben, dass Menschen ihre Fressfeinde sind. Oder sie sind so überfüttert, dass sich sich gar nicht mehr wegbewegen könnten, selbst wenn sie wollten. Der Park wirkt so, als ob nie jemand irgendetwas darin pflanzte, beschnitte oder gösse. Aber er ist schön schattig, erstaunlicherweise ohne Mücken, ohne Lärm, und auch fast ohne Leute. Vor achtzehn Jahren lebten hier noch Pfauen, aber die sind verschwunden.

Brücke im Rodini-Park über den Bach
Dank handgezimmerter Holzbrücken können Besucher im Rodini-Park immer wieder die Seiten wechseln.

In der Stadt stehen ein paar Museen. Mit einem Sammelticket kann man das archäologische, das für Volkskunst, den Großmeisterpalast und die Kathedrale „Virgin of the castle“ angucken. Volkskunst hört sich erstmal interessant an, und die drei Aufsichtsdamen freuten sich auch sichtlich, mal Besucher zu sehen. Eigentlich müsste großer Andrang herrschen, verwirklicht diese Einrichtung doch eine gänzlich ungewöhnliche und einzigartige Vorstellung von Museum: Die Exponate hängen ohne ersichtliche Systematik an den Wänden, sodass sich die Besucher:innen den Zusammenhang selbst erschließen dürfen. Das wird umso interessanter, als es auch keinen einzigen Text an irgendeinem Stück gibt. So steht man vor einer Ebene mit 20 mehr oder weniger alten, mehr oder weniger bunten und mehr oder weniger hübschen Tellern und darf sich die passende Geschichte dazu denken. Produkte derselben Töpferei? Mitgift derselben Braut? In einem zugeschütteten Brunnen gefunden? Ach, es gibt so viele Möglichkeiten, wer will sich da festlegen.

Ansammlung unsortierter Altertümer im archäologischen Museum, Rhodos
Manchmal überwältigen die Altertümer auch das archäologische Museum von Rhodos. Dann kippt man sie einfach irgendwo malerisch hin und gut ist.

Im archäologischen Museum herrscht weniger Gedankenfreiheit, da sind die Exponate beschildert (auch Englisch) und leidlich chronologisch sortiert. So kann man sich von Raum zu Raum und Vasenform zu Vasenform vorarbeiten. Über das Gebäude selbst erfahren die Besucher allerdings gar nichts. Das war eines der ersten und größten Krankenhäuser in Europa, mit einzelnen Betten für die Kranken. Den Krankensaal erkennt man noch, wenn man weiß, dass es mal einer war. Darin stehen jetzt Grabsteine der Kreuzritter an den Wänden.

Moderne Kunst im Norden

An der Nordspitze der Halbinsel, wo die großen Hotelbunker für Engländer:innen, TUI und Neckermann stehen, befindet sich das Museum für Moderne Kunst. Es scheint noch im Werden, so war nur das Erdgeschoss geöffnet und gab einen Überblick über die lokale Kunst der letzten hundert Jahre. Mal wieder viel Interessantes dabei, von dem man uns zuhause nichts mitbekommt und vermutlich nie etwas mitbekommen wird. Vielleicht entdeckt ja das Schwule Museum in Berlin irgendwann mal Yannis Tsarouchis und dessen Bilder.

Basketballspieler, Gemälde von Yannis Tsarouchis Airforce-Offizier legt einen Kranz nieder, Gemälde von Yannis Tsarouchis
Zwei Bilder des 1968 verstorbenen Yannis Tsarouchis: „Basketballspieler“ und „Airforce-Offizier legt einen Kranz nieder“

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