Nach Mai Chau – 300 Kilometer in 11 Stunden
19.3.2015Verkehr in Vietnam ist eigen. Will man die Hauptrouten des Tourismus befahren, kann man sich vor Angeboten kaum retten. Im Internet, an Bahnhöfen und Busstationen oder auf der Straße, überall brüllt es Halong-Bucht, Sapa oder Mekong-Delta. Anders sieht es aus, wenn man wie wir von der Insel Cat Ba in den kleinen Ort Mai Chau möchte. Der Weg führt über Haiphong und Hanoi, und eine durchgehende Fahrkarte für die rund 300 Kilometer gibt es nicht. Sozialismus hin oder her, das Verkehrssystem ist fast ausschließlich privat organisiert. Wer sich über die wachsende Bedeutung der Fernbusse in Deutschland freut, kann hier deren Schattenseiten sehen.
Hanoi hat mindestens sieben Busbahnhöfe (in Berlin sind es erst vier), die bis zu 20 Kilometer auseinander liegen. Eine klare Zuordnung zwischen ihnen und den angefahrenen Zielen gibt es ebenso wenig wie einfache Transfers zwischen den Stationen (auch das wie in Berlin – Interessierten sei empfohlen, mal beim Postbus nach der Verbindung von Südkreuz nach Bad Doberan zu suchen). Busse von Haiphong nach Hanoi können an mindestens drei verschiedenen Terminals ankommen, und wer von dort nach Mai Chau will, hat die Wahl zwischen zweien. Ein zentrales Portal zum Suchen gibt es nicht (und schon gar nicht auf Englisch). Dafür zig teilweise widersprüchliche, teilweise veraltete, teilweise falsche Informationen auf den diversen „Traveller“-Seiten.
Wer es sich als Tourist leisten kann, nutzt deshalb private Dienstleister, die ihn mit Auto und Fahrer von A nach B bringen. Das kostete uns für die Strecke vom Flughafen in Hanoi nach Haiphong (rund 100 km) 75 Dollar. Wer das Geld nicht hat oder nicht ausgeben will, muss auf Angebote zu einigen ausgewählten Zielen zurückgreifen oder viel Zeit aufwenden.
Uns ist noch eine weitere Möglichkeit zugestoßen: aus der Ferne betreutes Reisen. Nachdem unser Hotel in Mai Chau mitbekommen hatte, dass wir in Cat Ba starten wollten, schickten sie uns Mail über Mail: von welchem Busbahnhof in Hanoi es losgehe, welchen Bus wir in Haiphong nehmen sollten und so weiter. Schließlich kamen detaillierte Anweisungen: um 14:40 ab Busstation My Dinh mit Firma Hoang Thao. Zwar saßen wir dort fast zwei Stunden rum und bekamen aus unerfindlichen Gründen am Schalter kein Ticket verkauft. Aber plötzlich standen wir einem Mann mit Hut und Uniformhemd gegenüber, der nur „Mai Chau“ rausbrachte und uns dann wortlos zu einem sehr, sehr erfahrenen Gefährt brachte – der Schaffner. Nach vier Stunden in der Obhut des vermutlich für Busrennen trainierenden Fahrers übergab man uns samt Gepäck einem jungen Motorradfahrer. Er erledigte die letzten paar hundert Meter zum Hotel in zwei Durchgängen mit jeweils einem Passagier auf dem Rücksitz.
Wenn man also irgendwas über Dienstleistung lernen möchte, ist hier die richtige Gegend. Genug Platz für ein bisschen Abenteuer bleibt trotz aller Betreuung – etwa einen Taxifahrer zu finden, das keinen Fantasiepreis kostet, sondern nach Taxameter abrechnet. Und wenn alles glatt geht, läuft das Gerät auch nicht doppelt so schnell, wie er sollte.