Motorradfahrer im naechtlichen saigon

Saigon, Hauptstadt der Mopeds

1.3.2015

Das nicht so Schöne muss zuerst raus: Ho-Chi-Minh-Stadt, oft noch mit dem alten Namen Saigon bezeichnet, ist vor allem eine lärmige Großstadt mit einer Mopeddichte, die Neapel grün vor Neid werden lassen müsste. Die Dinger stehen überall, fahren überall und hupen überall und immer. Unser Hotel liegt am Ende einer schmalen Sackgasse, die im Wesentlichen als Zufahrt zu einem Moped-Parkplatz fungiert. Kommt gleichzeitig eines kommt und eines will wegfahren, ist für Fußgänger kein Platz mehr. Überhaupt sind gehende Menschen entweder zu arm für ein Moped oder irgendwie zu blöd dafür, weil Touristen. Folglich kann ein Bürgersteig keine andere Funktion haben, als als Moped-Parkplatz zu dienen. Oder, wenn man da nicht parken will, als eine Art Ersatzstraße, die das zügige Überholen jener depperten Motorradfahrer ermöglicht, die auf der herkömmlichen Straße fahren. Fußgänger müssen dann halt zur Seite springen.

An einer Ampel wartende Motorradhorde in SaigonManche Motorradfahrer benutzen in Saigon die Straße und warten an Ampeln. Aber die sind ohnehin viel Kummer gewohnt: Beim Überqueren einer Straße müssen sie sich wie ein Fisch im Wasser zwischen den Motorisierten durchschlängeln – getreu dem alten Honneckerschen Motto „vorwärts immer, rückwärts nimmer“. Denn es kommt darauf an, Entschlossenheit zu zeigen. Stehenbleiben oder gar Zurückgehen kommt nicht in Frage – man starrt dem Gegner fest ins Auge und geht los. Besonders Erfahrene, durch Drogen Ermutigte oder auf die Wiedergeburt Hoffende verzichten auf den Blickkontakt, aber so weit sind wir noch nicht. Obwohl sich das alles vielleicht etwas schrecklich anhört: Indien war noch schlimmer.

Mit Mopeds zugeparkter Bürgersteig in Saigon
Bürgersteige sind in Saigon zum Parken von Mopeds da.

Lustigerweise gelten fast alle Verkehrsregeln hierzulande als interessante Anregungen, denen man in der Regel nicht folgt. Ampeln scheinen nicht mehr als Stadtmöbel mit rätselhafter Funktion zu sein. Aber einen Helm trägt fast jeder Motorradfahrer, und im Auto schnallen sich Passagiere selbstverständlich an.

Schlüssel für geparkte Mopeds an einem Baum, Saigon
Damit er die Fahrzeuge leicht umsortieren kann, bewahrt der Parkwächter die ihm überlassenen Schlüssel an einem sicheren Ort auf.

Vom Grauen übergangslos zum Wunderbaren: Das Essen hier hat fast nix mit dem zu tun, was vietnamesische Restaurants bei uns servieren. Dazu gehört auch, dass praktisch nirgendwo Gewürze auf dem Tisch stehen. Nicht, weil es Salz, Chili- oder Sojasauce nicht gäbe. Was die Vermutung nahelegt, dass hiesige Köche ihre Arbeit für perfekt halten, und da mochten wie bislang nicht widersprechen. Obwohl die Nahrungsaufnahme nicht immer ganz leicht ist, denn Jahrhunderte chinesischen Einflusses haben Stäbchen hier fest als Werkzeug etabliert. In einfacheren Restaurants bekommt man als Westler schon mal eine Gabel angeboten, in teureren ist uns das noch nicht passiert. Die Suche nach so einem Hilfsmittel allerdings dauerte auch einmal so lange, dass wir sogar den Reis schon erlegt hatten.

Mit Gehacktem gefüllte Würfel aus Klebreis, Vietnam
Mit Gehacktem gefüllter Klebreisquader, passendes Werkzeug brachte die freundliche Kellnerin von selbst.

Jedenfalls kann man viel Spaß damit haben, halbe Erdnüsse, Salatblätter oder Glasnudeln mit zwei Holzstäbchen aufzusammeln und verlustfrei in den Mund zu befördern. Europäische Empfindlichkeit am besten gleich vergessen und die Schale so dicht wie möglich unter den Mund halten. Dann haben die mühsam ergatterten Nahrungsmittel schon mal schlechtere Chancen, vorzeitig wieder runterzufallen.

Zubereitung eines Kaffees in Vietnam
In Vietnam tropft der Kaffee am Tisch langsam aus dem Metalldingens in die Tasse – Selbermachen ist hier beliebt.

Was wir bislang schon ausprobiert haben: Klebreis in salziger Ausführung, einmal etwas schlicht, einmal gefüllt mit Gehacktem; Reis mit getrocknetem Aal; vietnamesische Pfannkuchen. Die sind dünn wie Crêpes, aber knusprig und gefüllt. Werden am Tisch vom Kellner durchgeschnitten, und der Gast darf jeweils ein Stück dann mit Minze- und Basilikumblättern zusammen in ein Salatblatt wickeln. Das Ganze wird dann noch in eine Sauce getaucht und irgendwie in den Mund gesteckt. Wir haben Vietnamesen dabei zugeschaut, wie sie die Prozedur mühelos und elegant erledigten. Bei uns sah es weniger mühelos aus, verlustfrei ging es auch nicht ab. Selber basteln ist ohnehin angesagt. Heute gab es Sommerrollen, bei denen wir Fisch mit Gurke, Salat und Basilikum in quadratisches Reispapier einwickeln durften, nachdem wir den Fischanteil aus dem senkrecht vor uns aufgestellten gegrillten Tier rausgepolkt hatten. Lecker, und macht auch nicht dick, da man bei der Herstellung mehr Kalorien verbraucht als das Essen selbst enthält. Dann gab’s noch gegrillte Aubergine, „Fake dog“ (haben wir nicht probiert), gegrillte Rindfleischwürfel und andere Sachen, die wir schon wieder vergessen haben. Jedenfalls lohnt die Reise hierher schon wegen der Küche, was ich nicht erwartet hatte.

Abgenagtes Fischskelett in einem Holzgestell, Mekong-Delta
Was dem Fisch fehlt, haben wir in Reispapier gewickelt und verputzt.

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