Plaza de armas cuzco

Regenbogenfahnen über Cuzco, zirpende Zikaden am Fluss

1.10.2022

Von Machu Picchu schaukelte uns der Bus in die schönste Stadt auf dieser Reise. Cuzco liegt wieder auf über 3000 Meter Höhe, aber inzwischen hatten sich alle an die dünne Luft gewöhnt, sodass Aus- und Umfälle ausblieben. Das Zentrum des Orts ist eine weitgehend intakte Ausstellung kolonialer Architektur, errichtet auf zum Teil noch sichtbaren Grundmauern von Inka-Gebäuden.

Bis 1535 war Cuzco Hauptstadt des Inka-Reichs, dann gründete der Konquistador Pizarro die neue Hauptstadt Lima an der Küste. Der letzte, von den Spaniern eingesetzte, Inka-Herrscher zog mit einem riesigen Heer gegen die Besatzer in Cuzco. Letztlich verloren er und seine Anhänger diesen Aufstand, weil die Spanier auch nachts kämpften, worauf die Inkas nicht eingestellt waren.

Innenhof des Dominikaner-Klosters in Cuzco, errichtet auf den Grundmauern des Inka-Sonnengottes
Auf den Grundmauern des Tempels für den Sonnengott der Inka errichteten die Dominikaner ihr Kloster samt Kirche. Im Hintergrund der aufgehellten Nische ist eine klassische trapezförmige Türöffnung aus der Inkazeit zu erkennen.

Auf dem ehemaligen Tempel des Sonnengottes errichteten die Dominikaner ein Kloster samt Kirche. Denen allerdings bekamen die nächsten Erdbeben nicht so gut, und die Mönche mussten sie mehrmals wieder aufbauen. Die Inka-Mauern blieben unversehrt stehen, bis heute. Zu sehen sind sie überall in Cuzco, es gibt sogar eine kleine Straße, deren eine Seite eine solche perfekte Mauer säumt.

Ein Ei als Gott

Eins der wenigen heute im Dominikaner-Kloster zu sehenden Objekte aus der Inkazeit ist eine Goldplatte, die das damalige Weltbild zeigen soll. Im Netz gibt es eine längliche Beschreibung des Dargestellten, fußend auf einem Text aus dem 16. Jahrhundert. Im Wesentlichen soll das Relief wohl das Weltbild der Inka darstellen, mit einem eiförmige Schöpfer in der Mitte, um den sich die wichtigsten Sterne (wiederum Gottheiten) gruppieren. Unten, also auf der Erde, finden sich Mann und Frau, stilisierte Tiere und ein Bewässerungskanal, der Wasser aus einem Fluss ableitet.

Inka-Weltbild als Goldrelief in Cuzco
Weltbild der Inka: Oben in der Mitte der eiförmige Schöpfer der Welt, links und rechts davon unter anderem Sonne und Mond. Weiter unten sieht man Mann und Frau sowie stilisierte Tiere, ähnlich den Figuren von Nazca.

Neben der perfekt erhaltenen kolonialen Architektur rühmt sich Cuzco des „Künstlerviertels St Blas“. Dort reiht sich Laden an Laden, und einige bieten tatsächlich Kunst an, nicht nur Bilder. Ein Geschäft spezialisiert sich auf handgewebte Wandteppiche, die ab 1000 US-Dollar über den Ladentisch gehen. Wo so viele Künstler sind, fehlen auch die hippen Cafés und Restaurants nicht. Bislang mangelt es allerdings noch an den Touristenmassen, diese Einrichtungen zu füllen.

Spärliche Ausstellung zeitgenössischer Kunst

Produkte der lokalen Künstler hätten wir in der Galerie für zeitgenössische Kunst erwartet. Die besteht allerdings nur aus zwei Räumen, von denen einer mit der temporären Ausstellung von arg folklorelastigen Aquarellen beschäftigt war. Der andere zeigte rund 20 Gemälde von den 1930er-Jahren bis heute, also bestenfalls einen Querschnitt. Hinter dem Historischen muss das Zeitgenössische eben manchmal zurücktreten.

Beim Spaziergang durch Cuzco fallen die überall ausgehängten Regenbogenfahnen auf: Sie flattern vor Geschäften, Restaurants, Privathäusern und Regierungsgebäuden. Das aber nicht, weil die Stadt besonders LGBTQ-freundlich wäre. Vielmehr zierte der Regenbogen schon früher die Fahne der Inka-Herrscher und ist deshalb immer noch Stadtflagge. Wäre ja auch zu schön gewesen. Immerhin, der Verkäufer im Schokoladengeschäft hätte das Schwulsein erfunden haben können. Selbst nachdem wir zwei Tafeln gekauft hatten, wollte er uns noch nicht wieder gehen lassen.

Regenbogenfahne an einem Regierungsgebäude in Cuzco Regenbogenfahne an einem Geschäft i Cuzco
Die in Cuzco überall wehenden Regenbogenfahnen stehen nicht für die Unterstützung queerer Anliegen, sondern für die Tradition der Stadt: Schon die Inkas hatten einen Regenbogen in ihrer Fahne

Nach all den Städten und Steinen folgte das Grünste aller Grüns am Rio Madre de Dios, einem Zufluss eines Zuflusses des Amazonas. Die Region heißt in Peru trotzdem „Amazonien“, zumindest bei den Reiseveranstaltern, wohl wegen des gleichnamigen Beckens. Unserer brachte uns in einer Lodge unter, anderthalb Bootsstunden von der nächsten Stadt entfernt. Strom und Wasser flossen zuverlässig, auf Internet und Telefon müssen die Besucher jedoch verzichten, und warmes Duschen erfordert vorher längeren Sonnenschein.

Auf einer Palme landender Ara
Von einem Baum startender Vogel
Vögel sind notorisch unsicht- und unfotografierbar. Zumal ohne brauchbares Teleobjektiv. Der mit Mühe erkennbare orange-blaue Fleck links in der Palme (oben) ist ein Ara, ebenso wie der rechts landende Vogel. Den Namen der beiden Vögel unten habe ich vergessen, jedenfalls krächzen sie wie Lungenkranke.

Auf den Exkursionen gab es Affen und Vögel und Kaimane zu sehen, die Vogelspinne besuchte uns zur Frühstückszeit im Speisesaal. Das mit dem „Sehen“ ist aber so eine Sache: Manche Teilnehmer entdecken ständig etwas Fliegendes, Schwimmendes oder Kletterndes. Sie zeigen hin, und andere Leute sagen „aha“ und fotografieren, was das Zeug hält. Meist mit dem Handy einen 50 Meter weiter sich im Baum versteckenden Vogel. Da hätte man mehr von einem Bild bei Wikipedia.

Blüte einer unbekannten Passiflora-Art Affe frisst eine Banane
Während Pflanzen immer stillhalten, bekommen Affen kiloweise Bananen zugeworfen, bis jeder Teilnehmer einen „Schnappschuss“ im Kasten hat.

Andere Teilnehmer, wie ich, gucken angestrengt in die gezeigte Richtung und sehen nix. Außer Blättern und Ästen oder braunem Wasser. Was vermutlich von den Vögeln, Fischen, Schildkröten, Affen und so weiter beabsichtigt ist, die wollen sich weder sehen noch schießen, geschweige denn essen lassen. Aber so richtig befriedigend ist es nicht, stundenlang im Gänsemarsch – breiter ist der Weg nicht – durch den heißen Wald zu stapfen und seine Bewohner bestenfalls von hinten bei der Flucht zu sehen.

Mal mehr, mal weniger Engagement

Zudem hängt der Gewinn durch diese Ausflüge stark von den lokalen Führer:innen ab. Unsere war so lala: Säugetiere, Vögel und Reptilien gehörten zu ihrer Kernkompetenz, Pflanzen und Insekten nicht. Sie wickelte ihr Programm ab, und das war es halt. Französischsprachige Parallelreisende hingegen sprachen begeistert über ihren Guide: Er habe sogar mit der Machete Pfade geschlagen, um ihnen Flora und Fauna abseits des Weges zu zeigen.

Aber es war warm im Dschungel, wir hatten einen großen Pool mit kaltem Wasser (gute Vorbereitung auf die gasarme Zeit in Berliner Schwimmbädern), das Mückenmittel wirkte, das Essen schmeckte und die Leute in der Lodge waren freundlich und bemüht. Nachts zeigte der Dschungel, was er drauf hat – vor allem die Zikaden zirpten zuverlässig und laut.

Sonnenaufgang über dem Rio Madre de Dios
Netterweise geht die Sonne am Madre de Dios um halb sechs morgens so spektakulär auf, dass man sich nicht mehr über das frühe Aufstehen ärgert.

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