Granada nicaragua im regen

Ödes Managua, prächtiges Granada

7.8.2014

Das Wesentliche ist in Managua seit 1980 unverändert: Noch immer herrscht im alten Zentrum eine große Ödnis, aus der ein Auf einem Kreisverkehr in Managua steht ein riesiges Bild von Hugo Chavez paar Gebäude herausragen: die alte Kathedrale, der Nationalpalast und das damalige Hotel Intercontinental. Dazwischen ein paar Grünflächen, ein riesiger Versammlungsplatz und die vierspurige Avenida Bolívar. Einen ihrer Kreisverkehre verschönt inzwischen ein meterhohes Porträt des ehemaligen venezolanischen Präsidenten Hugo Chavez. Venezuela liefert Erdöl nach Nicaragua, und zwar zu extrem günstigen Bedingungen.

Gemälde vom Erdbeben 1972 im Nationalpalast von Managua
Das große Erdbeben 1972 in Managua als Gemälde im Nationalpalast

Ein echtes Zentrum jedenfalls gibt es in der Hauptstadt nicht, sondern viele kleinere. Von oben sieht die Stadt aus wie ein riesiger Park. Das soll vor allem an den immergrünen Mangobäumen liegen, die viele Bewohner:innen in ihren Vorgarten pflanzen. Seit zwei Jahren immerhin kann man sich im Puerto „Salvador Allende” amüsieren: Dort reihen sich Bars, Schnellimbisse und Restaurants mit Blick auf den riesigen Managua-See aneinander. Man sitzt schön und wird vom Wind gekühlt, aber das Vergnügen dürfte für viele Nicaraguënser zu teuer sein. Der monatliche Mindestlohn liegt zurzeit bei rund 200 US-$, und der steht vor allem auf dem Papier. Ein Lehrer verdient rund 240 Dollar im Monat. Ein Saft kostete in dem Hafen drei Dollar, ein Eiskaffee sieben, eine Vorspeise dasselbe.

Im Puerto Salvador Allende sollen sich Kinder auf Tierfiguren fotografieren lassen
Ein Pferd wird zur Arbeit getragen.

Nicht mehr nur Reis mit Bohnen und Bohnen mit Reis

Das Essen in Nicaragua übrigens stellt sich als angenehme Überraschung heraus. Während wir seinerzeit die Wahl zwischen Reis mit Bohnen, Bohnen mit Reis und arroz con frijoles hatten, gibt es heute alles mögliche Leckere mit Fleisch, Geflügel und Fisch. Nach Vegetarischem muss man zwar etwas suchen, wird aber fündig. Nur unser Hotel in Managua hielt die Reisbohnen-Tradition eisern hoch, sie stand dort im Zentrum des Frühstücks.

Reisegruppe probiert Nicaragua-Kaffee Frau verzieht Gesicht beim Probieren von Nicaragua-Kaffee
Nach wie vor schmeckt der Nica-Kaffee nicht jeder.

Nach einem bürgerlichen Intermezzo wird das Land zurzeit sandinistisch regiert. Was nicht unbedingt „weniger korrupt“ bedeutet, aber immerhin höhere Staatsausgaben für Gesundheit, Bildung und Infrastruktur. Statt sich wie früher mit der Kirche anzulegen, kuschelt man jetzt mit ihr. Die aktuelle Losung heißt „Nicaragua christiana, sandinista, unida“. Dabei bezieht sich „christiana“ gar nicht unbedingt auf die katholische Kirche, denn mittlerweile ist gut die Hälfte der Bevölkerung irgendwie protestantisch. Das allerdings in den besonders durchgeknallten Varianten wie Pfingstler („in Zungen reden“), Jehovas Zeugen etc. Dritte Frage eines kleinen Mädchens nach „Where’re you from“ und „What’s your name“ war denn auch „Are you christian?“ Die Antwort stürzte es sichtlich in Verwirrung.

Die alte Kathedrale von Managua. Eines der wenigen Gebäude, die das Erdbeben 1972 überstanden
Die alte Kathedrale von Managua wurde im Erdbeben 1972 schwer beschädigt und ist heute nicht mehr in Betrieb. Als Ersatz gibt es ein scheußliches Betonmonster am Stadtrand.

Granada: alles was eine Stadt braucht

Dass die Evangelisten hordenweise durchs Land ziehen, erfuhren wir am eigenen Leib in Granada, der zweitgrößten Stadt. Unser Hotel dort war gut gefüllt mit glücklich in die Gegend guckenden Amis in der Missionarsausbildung. Abgesehen davon ist Granada eine zauberhafte Stadt: Kolonialhäuschen allüberall, eine funktionierende Fußgängerzone mit Kneipe an Kneipe und eben allem, was man von einer Stadt erwartet. Ein starker Kontrast zu Managua. Hier steht übrigens auch das Projekt von Dietmar Schönherr, in dem jedermann und -frau Malen oder Musizieren lernen kann.

Blick auf die Kathedrale von Granada, Vulkan im Hintergrund
Granadas Hauptplatz, links die Kathedrale
Tanzende Riesenpuppe nachts in der Fußgängerzone von Granada
Nachtleben in Granada: Kinder lassen eine Riesenpuppe zu Trommeln tanzen.

Kleiner Einschub: Es hat angefangen zu regnen. Das ist nicht zu sehen, denn beim Auftreffen auf den Boden verdampfen die Tropfen sofort. Nur das Geräusch ist zu hören.

Granada liegt am Nicaragua-See, dem größten des Landes – er soll rund die sechsfache Fläche des Bodensees haben. Darin liegen rund 300 Insel(che)n, entstanden aus einem der letzten großen Ausbrüche des naheliegenden Vulkans von Masaya. Auf einer der Inseln im Nicaragua-See leben Affen, die sich von Touristen füttern lassen Bei einer Bootsfahrt zwischen den Inseln hindurch gab es haufenweise lustige Vögel zu sehen, die sich dem Fotografiertwerden aber meist entzogen. Die Affen hingegen waren wie üblich neugierig und wurden von einer amerikanischen Touristengruppe gefüttert.

Von Regenzeit ist bislang hier nichts zu spüren. Uns stört das nicht, die Nicaraguënser hingegen stark: Es ist bislang nicht einmal ein Zehntel der üblichen Regenmenge gefallen, was die Ernte akut bedroht. Für ein Agrarland kann das eine Katastrophe bedeuten. Ohnehin führt der Klimawandel zu drastischen Veränderungen: So geht etwa wegen der steigenden Temperaturen der Kaffeeanbau kontinuierlich zurück, ohne dass es bislang eine Nachfolger-Kultur gibt.

Ähnliche Beiträge