Nicaragua für Touristen: Ende in Granada
25.8.2014Die letzten beiden Tage in Nicaragua verbrachten wir als Zweier-Kleinstgruppe in Granada. Bei allen Vorzügen der Gruppenreise etwa beim Kennenlernen von Projekten, Kontakt zu Einheimischen fördert sie nicht unbedingt. Klarerweise wird man auch zu zweit in zwei Tagen keine Freunde fürs Leben kennenlernen, aber immerhin kann man ein paar direkte Gespräche führen. Und es gibt genug Zeit, einfach mal irgendwo zu bleiben, ohne dass der nächste Programmpunkt drängelt.
Beim ersten Besuch Granadas war uns die Kunst fast ganz durch die Lappen gegangen. Jetzt hatten wir Zeit für Galeriebesuche, und die haben sich wirklich gelohnt. So fanden wir einen Maler, der gerade mit einer Hommage für Dietmar Schönherr angefangen hatte. Den verehren manche hier sehr: Er hat nicht nur ein Ausbildungszentrum für bildende Künstler auf den Weg gebracht (Casa tres mondos), sondern auch Stipendien für viele nicaraguënsische Musiker und Auftritte der Camerata Bach organisiert. In der Casa tres mondos präsentieren viele der bildenden Künstler ihre Werke. Auch eine traditionelle Galerie zeigte schöne Sachen, vorwiegend von derselben malenden Familie. Dort gab es eine Reihe von Drucken zur Geschichte Sandinos – wesentlich interessanter und besser als ein guter Teil der Revolutionskitschkunst.
Kunst en gros zum Spottpreis
Sozusagen in allerletzter Minute stolperten wir noch über einen Kunstgroßhändler, der gerade sein Lager bereinigte. Alles mindestens 50 Prozent billiger… Tatsächlich ging es bis auf ein Zehntel des ursprünglichen Preises runter, und man hätte locker einen ganzen Tag dort stöbern können. Nicht alles ganz große Kunst, aber viele gute Gemälde. Schade nur, dass sie einem nie die Wände verkaufen, die wir inzwischen bräuchten, um noch Neues zu hängen.
Weiter runter in derselben Straße lud uns ein junger Mann in einen „Delikatessen“-Laden ein. Gefördert von der EU, werden dort unter anderem selbstgemachte Marmeladen verkauft – ohne Zuckerzusatz, weil das Ganze irgendwas mit Diabetikern zu tun hat. Im Gespräch stellte sich dann heraus, dass der Typ uns am Vorabend bei einer Folklore-Vorführung gesehen hatte. Offenbar waren da nur wenige Ausländer gewesen.
Wir hatten kaum eine Wahl, da die Bühne nur 50 Meter vom Hotel entfernt stand. Von dort brüllte die Musik runter (Ruhe gilt in Nicaragua immer und überall als zu bekämpfendes Übel), und ein Trupp „Volkstänzer“ bewegte sich dazu. Das war eine der befremdlichsten Vorführungen seit langem: Getanzt wurde eine Mischung aus Squaredance, Cancan und Schuhplattler. Dazu trugen die Tänzer ein festgeschraubtes Lächeln im Gesicht, das Erinnerungen an den Film „Die Truman-Show“ wachrief. Yuck. Veranstalter der eigenartigen Übung war das nationale Tourismus-Institut. Es gäbe wirklich genug Gründe, sich das Land anzuschauen, mit sowas sollten sie die Reisenden verschonen. Schuhplattlern können die Bayern besser.
Zum Schluss ein paar unsortierte Anmerkungen:
- Das Land braucht dringend eine solide Klempnerausbildung und die passenden Sanitärbauteile. Selten so viele defekte Klospülungen gesehen wie hier.
- Verkäufer nerven nicht, und es gibt nur wenige Bettler. Aber man sieht durchaus Leute, die obdachlos sein könnten.
- Ohne Spanisch-Kenntnisse wird es schwierig. Englisch ist wenig verbreitet, sogar in Tourismuszentren.
- Das Auswärtige Amt übertreibt maßlos mit seinen Vorsichtsmaßnahmen für Nicaragua-Reisende.
- Bürgersteige können fiese Löcher haben, und unter ihnen verläuft die Kanalisation. Vorsicht im Dunkeln!
- Die Nicas sind sehr zurückhaltend. Direkt angesprochen wird man fast nie – anders als in Asien.
- Effizienz ist eine Tertiärtugend. Oder Quartär. Vor allem in der Gastronomie.
- Reisen dauert, die Durchschnittsgeschwindigkeit liegt bei etwa 50 km/h.
- Essen im kleinen Comedor ist prima, vor allem für eine Gruppe: Man muss die überschaubare Auswahl an Gerichten nur einmal übersetzen, danach zeigen die Hungrigen auf das Gewünschte. Und es gibt häufig Originelleres als im Restaurant. Vor der Stierhodensuppe haben wir uns gedrückt, aber die Rinderzunge war sehr lecker.
- Eigentümergeführte Hotels sind häufig besser als die anderen.
- In der Regel wird nicht gefeilscht.
- Tortillas sind fast ausgestorben, gekochte Kochbananen zum Glück auch. Die werden jetzt frittiert oder gebraten, was ihnen gut tut.
- Über die Entwicklung nach dem Ende der Revolution redet in den Museen und Gedenkstätten niemand.