Presseausweis 1980

Blick zurück

1.8.2014

Wir sind auf dem Weg nach Nicaragua. Vor 34 Jahren war ich schon mal da, also erstmal etwas Nostalgie. Diesmal wird es fast keine Bilder geben, denn damals habe ich keine gemacht.

1979 gewann die Frente Sandinista de Liberación Nacional (FSLN) ihren jahrelangen Guerillakampf gegen die Regierung von Somoza. Der war zu dem Zeitpunkt auch international isoliert:
1972 hatte ein Erdbeben die Hauptstadt Managua zum großen Teil zerstört, es gab 7000 Tote und 200.000 Menschen verloren ihre Behausung. Die internationale Hilfe steckten Somoza und seine Konsorten in die eigene Tasche. Ziemlich genau ein Jahr, nachdem die Sandinistas in der Hauptstadt Managua eingezogen waren, trafen mein Kumpel und ich dort ein.

Alte Kathedrale in Managua
Die Alte Kathedrale in Managua war eines der wenigen Gebäude, die das Erdbeben 1972 überstanden. Foto: Thomas Splettstoesser 2012

Wir blieben sechs Wochen im Land, haben trotzdem vieles nicht gesehen. In Managua durften wir netterweise im Gärtnerhäuschen einer amerikanischen Missionarsfamilie wohnen, obwohl die Gemeinsamkeiten mit ihr überschaubar waren. Die Adresse weiß ich immer noch: „km 7 carretera sur, 2 cuadras abajo, una al sur“. Also „Kilometer 7 an der südlichen Ausfallstraße, zwei Blöcke nach unten, einer nach Süden.“ Straßennamen gab es nämlich seit dem Erdbeben in Managua nicht mehr, man orientierte sich an Sehenswürdigkeiten oder ähnlichem und gab dann von da aus den Weg in Blöcken an. „Nach unten“ bedeutet dabei nicht bergab, jedenfalls nicht immer, sondern die Richtung zum Managua-See. Unpraktisch, wenn man den nicht sehen kann. Überhaupt ist das ganze System nichts für Geografie-Agnostiker wie mich. Und: Es hat sich in den über 30 Jahren seitdem scheinbar nicht verändert. Unser Hotel steht hier: „Residencial Bolonia, rotonda El Güegüense 1c. al este, 1.5c. al norte. Donde fue Embajada de Francia.“ Also vom Kreisverkehr Güegüense ein Block nach Osten, anderthalb nach Norden. Da, wo die französische Botschaft war. Man gewöhnt sich dran, und es ist ja schön, wenn man sich nicht so abrupt umstellen muss. Vielleicht ist es aber bloß Nostalgie, denn: Google Maps kennt durchaus Straßennamen in Managua.

Das Teatro Nacional Rubén Darío in Managua
Im Nationaltheater hörten wir damals die Hymne der FSLN: „Wir kämpfen gegen die Yankees, die Feinde der Menschheit“.

Damals jedenfalls liefen wir am 19. Juli gefühlt zwei Stunden bei 35 Grad durch die Stadt, um zur zentralen Kundgebung zum ersten Jahrestag der Revolution zu kommen. Da sollte wohl Fidel Castro sprechen, aber ohne uns: Wir taten uns die Menschenmassen, die Hitze und den Staub nur kurz an. Anderes war interessanter, etwa die Alphabetisierungskampagne. Das war die erste große Aktion der neuen Regierung, mit der sie sofort 1979 begann.

Alphabetisierung: Bleistifte statt
Waffen
Die Alphabetisatoren starteten den Kreuzzug in Nicaragua mit Bleistiften bewaffnet.

Statt das jetzt alles wieder rauszukramen und zusammenzuschreiben: Hier gibt’s den Originaltext dazu, erschienen in der Tageszeitung „Die Neue“. Das war ein links-sozialdemokratisches Konkurrenzprodukt zur taz, bei dem ich während des Studiums etliche Monate als Setzer gearbeitet habe.

Während wir in Nicaragua waren, kam es zu einer „Zuckerknappheit“. Ein Artikel in der linken Tageszeitung „Nuevo Diario” beschäftigte sich damals mit diesem angeblichen Mangel Sein Tenor: Die Knappheit sei von der bürgerlichen „Prensa” herbeigeschrieben wurde. Undenkbar ist das nicht, in Chile hatte es sechs Jahre früher ähnliches gegeben.

Nun also der Vergleich 34 Jahre später. Wir sind mit dem Partnerschaftsverein Kreuzberg – San Rafael del Sur unterwegs, der seit vielen Jahren Projekte in der nicaraguënsischen Stadt durchführt.

Ähnliche Beiträge