Daecher von alberobello

Eigenartige Museen in Süditalien

24.4.2014

Von Matera sind wir in Süditalien bis an die Stiefelspitze gefahren, nach Lecce. Vorher noch kurz Station in Alberobello mit seinen merkwürdigen Trulli. Die mussten auf Befehl des Landesherrn ohne Mörtel gebaut werden, sodass man sie schnell wieder abbauen konnte. Eine Art Steuerbetrug, denn der Adlige musste für Häuser Steuern abführen.

Trulli in
Alberobello
Die Trulli in Alberobello mussten aus steuerlichen Gründen ohne Mörtel gebaut werden.

Lecce ist so barock, dass manche böhmische Stadt dagegen verblasst. Allerdings nur im innersten Kern, drumherum geht es weniger pittoresk zu – wie es eben aussieht, wenn Stadtplanung praktisch nicht stattfindet. Leicht ist es ja auch nicht, denn mitten drin steht ein römisches Amphitheater neben einer Festung von Friedrich II und einer ehemaligen Gerichtslaube. Dadrin sitzt jetzt die Touristeninformation, hierzulande eine der überflüssigsten Institutionen überhaupt. Es gibt keine gedruckten Informationen zu Museen oder Sehenswürdigkeiten, keiner kennt Öffnungszeiten, man hat keine brauchbaren Stadtpläne. Aber nette Mitarbeiterinnen.

Typische Stadtvilla in Lecce,
Süditalien
Lecce steht voll mit Stadtvillen wie dieser.

Trotzdem findet man die Sehenswürdigkeiten, denn Lecce ist klein und schnell erlaufen. So landeten wir zuerst in der Burg mit ihrer Papiermaché-Ausstellung. Diese Technik haben sie hier irgendwann zur eigenen Kunstform erhoben, unter anderem aus Kostengründen: Papier+Mehl ist billiger und leichter zu verarbeiten als Holz oder Marmor. Hergestellt wurde daraus dann doch nur wieder schmalziger Christenkram. In jüngerer Zeit versuchen sich auch Leute daran, aus dem Matsch moderne Kunst zu machen, aber das barockisierende Zeug verkauft sich wohl besser.

Dicke rote Frau aus Papiermaché im Museum von Lecce Heiligengruppe aus Papiermaché im Museum von Lecce
Die Burg von Lecce stellte Papiermaché-Kunst aus.

Anschließend beehrten wir das bizarre Regionalmuseum. Ein schönes Gebäude, freier Eintritt, alles könnte gut sein. Wenn man denn Museumsleute rangelassen hätte. Stattdessen haben sich wohl manische Sammler daran versucht, jeden ihrer Schätze zu präsentieren. So gibt es statt eines schwarzen Bechers gleich fünf, statt eines griechischen Graffito zwanzig, und jede neolithische Speerspitze wird mit komplettem Stammbaum präsentiert. Das alles fast ausschließlich auf Italienisch beschriftet, wenn überhaupt. Was allerdings immer noch besser ist als die gelegentlichen, angeblich englischen Übersetzungen. Das ganze Ensemble ist eigenartig zusammengestellt (was macht die Kanone neben dem Porzellan?) und so schlecht wie möglich beleuchtet. Zur Krönung sieht der Teppichboden aus, als träfe sich dort regelmäßig die lokale Selbsthilfegruppe „Inkontinenz“.

Kanone und Vitrinen im Museum von
Lecce Unbeschriftete Tonscherben im Museum von Lecce

Abgesehen davon: Lecce lohnt durchaus einen Besuch und es hat auch ein kleines Museum mit gut präsentierter moderner Kunst. In der Innenstadt gibt es praktisch keinen motorisierten Verkehr, man könnte Räder leihen (haben wir nicht), und im Stadtpark riecht es abends wie in einer Orangenblütenfarm. Ist aber nur chinesischer Klebsame. Man kann prima essen, zum Beispiel dicke Bohnen mit Zichorie, Nudeln mit Kichererbsen (ein Teil der Nudeln gekocht, der andere gebraten), Schweinerücken in Zitronen-Kapernsauce, Foglie d’Olive mit Ricotta (eine lokale Nudelsorte, arg gehaltvoll) und natürlich auch Pizza. Was eine gute Alternative zu den üblichen Primo/secondo-piatti-Veranstaltungen ist, weil man danach einfach schlafen kann und sich keine Sorgen machen muss, zu platzen. Heute Abend hatten wir sogar Pizza mit Trüffeln, was aber angesichts von Preis, Menge und Geschmack chinesische Fälschungen gewesen sein dürften.

Fragen nach unbekannten oder im lokalen Dialekt notierten Speisen beantworten die Kellner:innen ausgesprochen gern und ausführlich. Vielleicht ist das bei uns auch so, aber da muss ich ja nicht fragen. Man weist den Gast auch gerne auf lokale Spezialitäten hin, und zwar nicht, weil die besonders teuer wären.

Eine Merkwürdigkeit, die es früher wohl auch bei uns gab, hat hier überlebt: Automatenrestaurants. Wir heben jedenfalls ein paar davon gesehen.

24 Stunden täglich geöffnete Automaten-Snackbar in
Lecce
Neben Getränken gibt’s rund um die Uhr Esswaren, Batterien und Tampons aus dem Automaten.

Überall und immer wird hier gerne geredet (chiacchierare drückt das lautmalerisch trefflich aus). Wenn Handys wirklich Krebs machen, werden es die Italiener als erste wissen.

Älterer Mann beim Telefonieren in Süditalien Mann im Café beim Telefonieren

Jedenfalls sollte sich mal jemand damit befassen, wie man aus Gequatsche Energie gewinnen kann; Italien könnte zum Energieexporteur werden. Und niemand müsste mehr seinen Handy-Akku aufladen, das passierte automatisch beim Betrieb. Wenn das technisch gelöst ist, käme die Umwandlung von Gesten in Strom, und Italien wäre flugs die wohlhabendste Nation der Welt.

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