Schief restaurierter tempel hdr

Sieben Etagen für Polonnaruwas König

2.3.2018

Von Anuradhapura ging es per Bus in die zweitälteste Hauptstadt Sri Lankas, Polonnaruwa. Wie immer in Südostasien, funktioniert sowas einfach: Das Tuk-Tuk bringt seine Fahrgäste nicht nur zum Busbahnhof, sondern direkt zum richtigen Bus. Gepäck verstauen, hinsetzen, eine Viertelstunde später geht es los. Hört sich wenig spektakulär an. Nach unseren Erfahrungen in Brasilien ist es aber eben keine Selbstverständlichkeit, dass man einfach in einen Bus einsteigt und eine Fahrkarte kauft. Allerdings: Hier ist mit dem Ticket keine Sitzplatzgarantie verbunden. Wer später kommt, zahlt genauso viel und muss unter Umständen stehen. Beim Sitzen muss man sich schmal machen, denn in jeder Reihe ist nominell Platz für fünf Leute. Eine Klimaanlage ist nicht vorhanden, deshalb stehen Fenster und Türen während der Fahrt offen. Regnet es, kann man sich entweder bei geöffneten Fenstern von draußen nass machen lassen. Oder sie schließen, um festzustellen, dass der Regen durch ihre undichten Dichtungen trotzdem reinkommt.

Bunt bemalter Überlandbus. Sri Lanka
Ein typischer Überlandbus in Sri Lanka: Langsam, keine Klimaanlage, aber spottbillig und schön bemalt.

Busse als Shopping-Center

Vor der Abfahrt und an jedem weiteren Busbahnhof auf der Strecke steigen HändlerInnen und andere Menschen mit einem Anliegen (zum Beispiel religiöser oder bettelnder Natur) ein. Sie bieten Mandarinen, Heiligenbildchen, frisch (?) Frittiertes und Schilderungen des schweren persönlichen Schicksals (vermutlich) an. Kurz vor der Endhaltestelle enterte sogar ein junger Mann mit Trommel, Verstärker und Mikrofon den Bus und trug rund 20 Minuten lang religiöse Gesänge vor, mit heftigem Hall aus seiner Maschine. Dass es irgendwie um Religion ging, ließen die salbungsvollen Texte zwischen den Liedern und die immer wieder zum Wai zusammengeführten Händen vermuten.

Trommelnder Sänger im Überlandbus
Religiöse Musikdarbietung während der Busfahrt, begleitet von einer Trommel

Mit der Religion ist das hier ja überhaupt so ein Ding. Buddhismus gilt seit über 2000 Jahren als Staatsreligion und wird nach unserem Eindruck deutlich ernster genommen als zum Beispiel in Thailand oder gar Vietnam. Ein einmal gebauter Tempel verliert seinen Status offenbar nie, selbst wenn nur noch seine Grundmauern existieren. Weshalb man eben auf nackten Füßen durch die Trümmer laufen muss, damit sie nicht durch Schuhe entweiht werden. Bei jedem Heiligtum versammeln sich Gruppen weiß gekleideter PilgerInnen und Horden von Schulklassen. Letzteren fehlt es aber meist an religiöser Ergriffenheit. Eine Trennung von Staat und Kirche ist jedenfalls nirgends in Sicht. Vielmehr haben die Buddhisten dem ganzen Land 12 Feiertage aufgedrückt, zu jedem Vollmond einen – morgen werden wir unseren ersten hier erleben. Angeblich wird alles geschlossen sein, es wird keinen Alkohol geben … womöglich müssen auch alle den ganzen Tag barfuß und kniebedeckt herumlaufen, wer weiß.

Victorias Regeln leben weiter

Fast hätte ich gesagt, Alkohol gibt es sonst fast überall. Stimmt aber gar nicht. Schließlich war Sri Lanka ein paar Jahrzehnte lang britische Kolonie, und aus dieser Zeit blieben einige Regeln. So dürfen nur Hotels und Restaurants mit spezieller Lizenz den Stoff ausschenken. Und der Supermarkt verkauft keinen Wein, keinen Schnaps, kein Bier. Die Frage danach löst nur verlegenes Kichern aus. In jeder Kultur gibt es offenbar akzeptierte Drogen einerseits (hier: Betelnüsse, bei uns: Alkohol) und die ganz bösen fremden andererseits (hier: Alkohol, bei uns: Dope). Jedenfalls konnten wir heute in einem „Liquor store“, gelegen in einer wüsten Seitengasse, etliche Flaschen Bier erwerben. So ähnlich, wie man in Europa die dortigen nicht-legalen Drogen an abgelegenen Orten kauft, abseits von der Öffentlichkeit.

Polonnaruwa nun löste Anuradhapura vor rund 1000 Jahren als Hauptstadt ab. Der Ort selbst ist uninteressant, aber die weitläufigen Palast- und Klosteranlagen lohnen einen Besuch. Weil das auch die Regierung weiß, verlangt sie 25 US-Dollar Eintritt. Das Ticket gilt zwar für alle archäologischen Stätten und das Museum am Ort, aber nur an einem einzigen Tag. Was dazu führt, dass die meisten Touristen von ihren Reiseveranstaltern im Eiltempo durch die Ruinen geschleift werden oder sich selbst hetzen. Leidtragende sind nicht nur sie, sondern auch die Hotels am Ort, die kaum Übernachtungsgäste anlocken können: Wozu bleiben, wenn man ohnehin alles an einem Tag weggucken muss? Außerdem gibt es vermutlich deshalb keine Restaurants. Von Einheimischen könnten sie nicht leben, und die Besucher bleiben nicht zum Essen.

Ruinen des Königspalasts von außen. Polonnaruwa
Das blieb von den sieben Etagen und 1000 Zimmern des Königspalasts in Polonnaruwa übrig.

Das Glück der späteren Bauzeit

Stark beschädigte Buddha-Figur in der „Kathedrale“ von Polonnaruwa Da die Gebäude in Polonnaruwa später errichtet wurden als in Anuradhapura, sind viele besser erhalten. Manches wird auch wieder aus den Trümmern zusammengepuzzelt. Insbesondere vom ehemaligen Königspalast stehen noch mehrere Wände. Seinerzeit soll er sieben Etagen mit über 1000 Zimmern gehabt haben. Fast alle Wände und die Dächer waren aus Holz, weshalb man ziemlich viel Einbildungskraft braucht, um sich aus den zwei Ziegelsteinwänden einen siebengeschossigen Palast zusammenzureimen.

Neben diesen Ruinen sind etliche Statuen und Reliefs relativ gut erhalten geblieben. Das Ensemble mit Palast, Tempeln und Klöstern verteilt sich über eine riesige Fläche, die (je nach Tuk-Tuk-Fahrer) zwischen zwei und sechs Kilometer lang sein soll. Sind wir alles abgelatscht, bis zum gigantischen liegenden Buddha ganz am Ende des Weges.

Statue eines liegenden Buddha aus Stein. Polonnaruwa, Sri Lanka
Höhepunkt der religiösen Verzückung in Polonnaruwa ist dieser liegende Buddha.

Zwischendurch erlebten wir, wie vier deutsche Mädels um die 20, die gerade pro Person 25 Dollar Eintritt bezahlt hatten, an einer Imbissbude um den Preis der Cola feilschen wollten. Die sollte pro 0,4-Liter-Flasche etwa einen Euro kosten. Die Damen boten die Hälfte an. Nach einem wenig freundlichen Hinweis von uns zahlten sie dann doch das Verlangte. Einem der Mädels hing dabei eine teure Spiegelreflex um den Hals – da muss man natürlich mit den „Locals“ um den Preis des Kaltgetränks feilschen. Was steckt hinter diesem Benehmen – die Überzeugung, man werde immer und überall über den Tisch gezogen? Der Glaube, man müsse wirklich um jeden Pipikram handeln?

Blick über den rund 1700 Jahre alten Stausee bei Anurdadhapura
Der Stausee von Anuradhapura, angelegt etwa um 300 nC, und heute noch intakt.

Polonnaruwa liegt wie Anuradhapura und so manche andere Stadt in Sri Lanka an einem großen Gewässer, das auf den ersten Blick wie ein See aussieht. Auf den zweiten auch. Tatsächlich sind es Stauseen, angelegt vor hunderten von Jahren als Teil großer Bewässerungsprojekte. Gab es in Kambodscha wohl auch, dort ist aber kaum etwas erhalten. Hier existieren die Seen immer noch und werden als Trinkwasserspeicher und wohl auch zum Bewässern der Reisfelder genutzt. Solche Anlagen mit altertümlicher Mathematik und nur mit Muskelkraft zu errichten, war eine immer noch beeindruckende Leistung. Und nützlicher als zum Beispiel Pyramiden.

Schwarz-weißer Affe sitzt auf einer Mauer. Polonnaruwa, Sri Lanka Laufender weißer Vogel auf einer Wiese
Eigentlich soll Sri Lanka das Land der Elefanten sein. Affen und Vögel haben wir aber bislang wesentlich häufiger gesehen. Sie turnen überall herum, auch in den heiligen Ruinen.

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