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Galle Fort: dem Tsunami keine Chance

12.3.2018

Wohin von Kandy? Eigentlich muss man von dort mit dem Zug in die Berge fahren, nach Nuwara Eliya (Sommerfrische der Briten) oder nach Ella (Backpacker-Paradies). Einerseits sollte es dort allerdings regnen, andererseits gab es keine reservierbaren Plätze mehr für die Bahn. Sechs Stunden oder länger im Bus durch die Berge fanden wir auch nicht hinreichend attraktiv. Kurzerhand fiel die Entscheidung auf ein Taxi Richtung Südwest-Küste, nach Galle. Das darf man aussprechen wie das englische „Goal“ oder wie das Organ neben der Leber.

Ein wichtiger Hafen war die Stadt schon immer, hierher kamen Araber, Chinesen, Griechen, Römer, Perser und Inder, letztere hatten es ja nicht weit. Das heutige Aussehen der Stadt prägten jedoch die Holländer, die direkt neben dem Hafen ein Fort anlegten, um die Tätigkeit ihrer East India Company zu schützen. Nachdem sie dem König von Kandy geholfen hatten, die portugiesischen Besatzer zu vertreiben, bekam die Firma das Monopol für den Außenhandel Ceylons. Und dieses Monopol musste unter anderem mit dieser Befestigungsanlage verteidigt werden.

Zimt war damals einer der Hauptexportartikel. Der wird heute noch in der Gegend um Galle angebaut: wenig spektakuläre Bäumchen, deren Blätter wie erwartet riechen. Der hiesige Zimt soll der beste der Welt sein (und der einzige, der vom Zimtbaum stammt). Woran sich diese Qualität allerdings feststellen lässt, sagt einem niemand. Fest steht nur, dass die Stangen aus Sri Lanka weniger Cumarin enthalten als alle anderen. Und das ist in großen Mengen nicht so gesund.

Oldtimer vor einem Café in Galle Fort
Altes steht in Galle Fort hoch im Kurs, sodass man auch schon mal einen Oldtimer als Werbung vorm Café parkt.

Wenig Verkehr bringt viele Touristen

Touristen besuchen von Galle fast nur das Fort. Es ähnelt Antalya, dem brasilianischen Paraty und Trinidad in Kuba: wenig Verkehr, viel Platz für herumstromernde Fußgänger, restaurierte historische Gebäude und überall Restaurants, Cafés sowie Geschäfte. Also ideal für Leute, die in Ruhe herumgucken wollen, und ein hervorragendes Ambiente, um ihnen das Geldausgeben zu erleichtern. Man kann auf den Bastionen herumlaufen und sich nach außen das Meer und nach innen die Stadt angucken. Diese Mauern sind circa zwei Meter dick und haben auch den Tsunami von 2004 schadlos überstanden. „Der sicherste Platz in Galle“, wie der Stadtführer meinte. Im Nationalmuseum widmet sich ein von China gesponserter Raum der sri-lankisch-chinesischen Geschichte, das heißt vor allem den hervorragenden Leistungen chinesischer Seefahrer und Händler sowie denen eines ganz ausgezeichneten chinesischen Buddhisten.

Meeran Jumma Masjid in Galle Fort
Auf den ersten Blick sieht die Meeran Jumma Moschee wie eine Kirche aus, beim zweiten erkennt man die Halbmonde auf den beiden Türmen.

Auffällig ist neben dem hohen Anteil von Touristen auch der von Moslems. Im Durchschnitt sind rund sieben Prozent der Sri Lanker Anhänger des Islam, in Galle ist es fast ein Viertel. Sie treffen sich in der sehr großen Meeran Jumma Masjid, die mit ihren beiden Türmen ganz und gar nicht aussieht wie eine Moschee, sondern wie eine christliche Kirche. Offenbar orientierten sich der Architekt vor rund 300 Jahren eher an den holländischen Sakralbauten in der Nähe als an arabischen Vorbildern. Von Angriffen durchgedrehter Buddhisten auf Moslems wie jüngst in Kandy war in Galle nichts zu spüren. Die hiesige Rezeptionistin meinte denn auch, in ihrem Hotel arbeiteten alle möglichen Leute ohne Streitereien zusammen.

Polizei-Hauptquartier der Briten in Galle Fort
Die Britten haben sich in Galle nicht nur mit einer Polizeistation verewigt.

Mal eben möglichst viel gesammelt

Überall im Fort stehen Kolonialbauten herum, die meisten sind schon restauriert und an einigen wird noch gearbeitet. Auch das eine Parallele zu Antalya, Paraty und Trinidad. Schon seit längerem instandgesetzt ist das „Historical Mansion“, das von einem Juwelier unterhalten wird. Vor der Restaurierung war es kaum noch vorhanden, jetzt ist das Herrenhaus deutlich erkennbar.

Ein Museum im klassischen Sinn findet man hier nicht, sondern das Gefäß für einen hemmungslosen Sammler. Hier ein Raum mit Keramik, zwanzig Tassen, dreißig Untertassen, Schalen, Teller, ohne irgendeinen erkennbaren Zusammenhang und ohne Erklärung. Da fünf verrostete Schreibmaschinen, dort Zubehör für den Betel-Genuss und in einer der Vitrinen eine mit „Tsunami Sand“ gefüllte Flasche. Im Hof klöppelt eine alte Dame Spitzen und freut sich genauso wie die beiden Edelsteine schleifenden Herren über die fotografierenden Touristen.

Alte Dame arbeitet am Klöppel-Kissen im Historical Mansion. Galle Fort
Wie das Klöppeln genau funktioniert, haben wir trotz längeren Hinguckens nicht verstanden.

Fundstücke aus Schiffswracks in der Festung

In den Festungsmauern sind gleich zwei Museum zu maritimen Themen untergebracht. Das kleinere beschäftigt sich mit Flora, Fauna und Umwelt; es ist sehr stolz auf ein an der Decke hängendes Walskelett. In der ersten Etage erstreckt sich die zweite, wesentlich größere Sammlung zum Thema Meeresarchäologie. Da geht es zwar nur um gesunkene Schiffe und deren Ladung. Aber die Fundstücke sind sehr liebevoll präsentiert und deutlich ausführlicher beschriftet als es hierzulande die Regel ist. Sogar den Rest einer deutschen Bierflasche aus Steingut gibt es zu sehen, untergegangen mit einem holländischen Schiff.

Hals einer Steingutflasche, dekoriert mit bärtigem Mann
Der bärtige Herr war Teil einer Flasche, die aus Deutschland bis nach Sri Lanka reiste, um hier im Hafen unterzugehen.

Wenn das Fort zu klein wird, kann man Ausflüge in die Umgebung machen. Zur Wahl stehen Teeplantage, Schildkröten-„Aufzuchtstation“, Tsunami-Museum und der führende lokale Nationalpark. Der allerdings liegt so weit entfernt, dass man mit rund acht Stunden reiner Fahrtzeit rechnen muss. Der Schildkröten-Kindergarten bekommt online und im gedruckten Reiseführer derart schlechte Kritiken, dass er ausscheidet. Angeblich zahlen Besucher dort dafür, in viel zu kleinen Tanks gehaltene Baby-Schildkröten freizulassen. Die dann, wegen Hunger und verpeilt, direkt in vom Strand weg Richtung Straße laufen.

Mehr Zeit fürs Probieren als fürs Erklären

Also zur Teeplantage mit Führung und „Erklärung“, die den Namen nicht wirklich verdiente. Ein paar hingestreute Bemerkungen zu den Maschinen (eine aus Irland arbeitet hier seit 145 Jahren), dann kam schon die Verkostung. Bereit standen rund 40 Tässchen mit verschiedenen Sorten schwarzen, grünen und aromatisierten Tees. Nach dem fünften Schluck merkt der Laie keinen Unterschied mehr. Außer, dass Mocha muffig und der grüne Tee mit Lemon nicht nach Zitrone schmeckt.

Eine Frau bedient eine Maschine zum Trocknen von Tee
Nicht nur beim Pflücken, auch bei Trocknen des Tees ist in Sri Lanka Handarbeit gefragt.

Wie in China gibt es hier eine ganz besonders exquisite Sorte, „white virgin“. Er wird tatsächlich von Frauen in weißen Latexhandschuhen gepflückt, aber Jungfrauen sind die vermutlich nicht mehr. Wiederum wie in China schmeckt dieser Tee nicht besser als andere, soll sich aber durch wunderbare gesundheitsfördernde Eigenschaften auszeichnen. Gegen Oxidantien, Krebs, Haarsausfall, Impotenz, Nierensteine, Hornhaut, Frauenbeschwerden, für langes, glückliches Leben mit zahlreichen Nachkommen. Irgendwas davon haben sie nicht behauptet, aber da laufen bestimmt schon „Studien“. Jedenfalls kostet ein Gramm dieses Wundermittels rund einen Euro, für eine haushaltsübliche Packung ist man also ein halbes hiesiges Monatsgehalt los. Und hält die Garantie für ewige Jugend in der Hand.

Ein Schriftsteller bewahrt die lokale Kultur

Auf dem Rückweg nach Galle machten wir Station im Folk-Museum von Martin Wickramasinghe. Der Herr mit dem für uns unaussprechlichen Nachnamen war bis heute der produktivste und wohl deshalb berühmteste Schriftsteller Sri Lankas. Er verfasste 109 Werke, wie unser selbsternannter Führer circa fünfmal beiläufig erwähnte. Einhundertundneun! Romane, Erzählungen, Gedichte, Sachbücher. Das meiste davon auf Singhalesisch, einiges auch auf Englisch, manches davon findet sich auf Amazon. Nun sind ja die Häuser von Schriftstellern etwa genauso aufregend wie die von Klempnern oder von Lenin: Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche, und dann steht da noch eine Schreibmaschine (bei Lenin gab es immerhin einen Schlafanzug zu sehen).

Herr Wickramasinghe aber schrieb nicht nur, sondern sammelte auch allerhand Gegenstände der Alltagskultur, die jetzt in einem eigenen Gebäude präsentiert werden. Unser Führer erklärte die Teile sehr engagiert und ausführlich (und in gutem Englisch!), sodass sich dieser Abstecher als deutlich ergiebiger erwies als die Teeproduktion. Wir bekamen sogar einen Cashew-Nuss-Baum zu sehen, inklusive Früchten. Sehr unspektakulär, sehr klein. Was den relativ hohen Preis der „Nüsse“ erklärt.

Die Straße von Galle zur Teeplantage führt übrigens an einem der beliebtesten Touristengebiete Sri Lankas entlang. Man darf sich das etwa so vorstellen: 50 Meter Strand, davon 20 mit Hotel bebaut. Dann die zweispurige Straße, die jeder Lastwagen, jeder Bus und jedes Tuk-Tuk benutzt, die von Galle nach Süden und Südosten wollen. Damit sie genügend Platz haben, fehlt ein Bürgersteig. Dann kommt wieder ein Streifen Häuser, dann die Bahnlinie (acht Züge täglich). Vielleicht kann der zauberhafte Strand für Lärm, Dreck, Gestank und das nervige Latschen an der Hauptstraße entschädigen? Das wollten wir nicht ausprobieren.

Zug im Bahnhof von Galle, Gefängnis und Kirche im
Hintergrund
Blick vom Bahnhof Galle. Unser Zug war ein klein wenig moderner.

Im „Observation car“ ohne Aussicht nach Colombo

Zum Abschluss noch etwas aus der Serie „Es klappt immer“. Von Galle weg wollten wir nun endlich mal mit dem Zug fahren. Es gab aber, so die Website der hiesigen Bahngesellschaft, nur nicht reservierbare Wagen der zweiten und dritten Klasse. Und auch im Hotel hieß es, wir könnten frühestens einen Tag vor Abfahrt hoffen, ein Ticket kaufen zu dürfen. Wulf glaubt solchen Auskünften selten, weshalb wir zum Bahnhof direkt vor den Mauern des Fort latschten und fragten. Und siehe da: Man verkaufte uns ohne zu zögern zwei Plätze in der ersten Klasse, die es gar nicht geben sollte. Unsere Hotelierin war denn auch skeptisch bis ungläubig und versicherte sich extra telefonisch, dass man uns nicht betrogen habe.

Tatsächlich hing als zunächst letzter Waggon am Zug dann ein „Observation car“ mit großen Fenstern, ein besonders riesiges nach vorne. Aus dem konnten die doofen Westler dann zwei Stunden lang bis Colombo die Diesellok observieren, die den Zug zog. In Galle nämlich ändert sich die Fahrtrichtung, und der ehemals letzte Wagen wird zum ersten. Klimaanlage gab es nicht, über die Toilette möchte niemand genaueres wissen (beziehungsweise: Die Anwohner der Strecke wissen mehr als genug darüber). Aber die Fenster ließen sich öffnen und vor allem schließen. Sonst wäre die gesamte Besatzung des Waggons pitschnass in Colombo angekommen. Es klappt eben immer in Südostasien.

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