Sitzender weisser buddha aus der ferne

Fakir-Training auf Anuradhapuras heißen Steinen

23.2.2018

Erstmal ankommen in Sri Lanka: drei Tage in einer kleinen „Anlage“ am Meer nördlich von Colombo. Von dort schaukelte uns ein Taxi drei Stunden lang nach Anuradhapura, die erste Hauptstadt des Landes. Lustigerweise fehlte dort das reservierte Hotel, ist einfach nicht da. An seiner Stelle steht zum Glück ein anderes, das noch Zimmer frei hatte. Booking.com tut immer noch erstaunt, nimmt den falschen Eintrag aber nicht raus. Lustiges Geschäftsmodell.

Beton-Wohnhäuser in Anuradhapura von hinten
Moderne Wohnhäuser in Anuradhapura
Wohnhaus aus der Kolonialzeit in der Nähe des Bahnhofs von
Anuradhapura, Sri Lanka
Ein Einfamilienhaus aus der Kolonialzeit, vermutlich für Eisenbahner gebaut.

In Anuradhapura jedenfalls muss man sich Ruinen angucken. Die Bautätigkeit begann 380 vC, rund 1300 Jahre später verlegte man die Hauptstadt dann nach Polonnaruwa. Hier wurden also riesige Städte und Sakralanlagen schon verlassen, als Angkor Wat noch gar nicht existierte. Allerdings ist in Anuradhapura viel weniger zu sehen als in Kambodscha: Häufig stehen nur noch die Grundmauern und ein paar Säulen mit Türstürzen. Reliefs, Schmuck und Statuen haben die Jahrhunderte kaum überdauert, es finden sich nur einige Stücke im Museum. Aber immerhin lassen sich daran gut die gemeinsamen indischen Wurzeln der Khmer- und Sri-Lanka-Kultur erkennen. Sogar Apsara-Tänzerinnen gab es, wie ein paar Reliefs zeigen.

Tempel(?)-Ruinen in Anuradhapura
Photogeshopped sehen die Ruinen etwas aufregender aus als in Wirklichkeit.
Stupa aus Ziegelsteinen, davor ein oranger Stoffballen
Ganz, ganz viele Ziegelsteine machen eine sehr, sehr große Stupa.

Große, kegelförmige Ziegelsteinberge

Wie das so ist in buddhistischen Ländern, liebt man Stupas. Diese großen, irgendwie kegelförmigen Gebilde stehen bei jedem Tempel, ähnlich unseren Kirchtürmen oder Minaretten. Nur ohne Gebimmel oder Gesang. Hier jedenfalls sind sie riesig, und verfallene baut man wieder auf: 2,8 Millionen Ziegelsteine für das größte dieser Teile in Anuradhapura. Diese Bauwerke sind massiv, also quasi ein gemauerter Berg. Der eine oder andere Bürgersteig wäre womöglich sinnvoller gewesen, aber das Himmelreich (beziehungsweise Nirwana) ist wie so oft wichtiger als das Hier und Jetzt.

Liegende Buddha-Statue, davor kleine Buddha-Figuren.
Anuradhapura, Sri Lanka
Vor den Stupas stehen kleine Häuschen, in denen ein Buddha sitzt, steht oder liegt.

Nun sind diese Stupas samt der umliegenden, weitgehend verfallenen Tempel zwar sehr, sehr alt, aber trotzdem noch irgendwie heilig. Oder wenigstens mit besonderem Zartgefühl zu besuchen. Was heißt: Schultern und Knie bedeckt, Kopf frei, Schuhe aus. Alles prima so weit, der katholische, jüdische und moslemische Gott hat ja auch so seine Empfindlichkeiten bezüglich Kopf, Füßen und Schultern. Ab spätestens 12 Uhr wird jedoch der Ruinenbesuch zum Veitstanz: Die Steine und der Sand sind so heiß, dass Stehenbleiben unverzüglich zu Schmerzen führt oder zu Brandblasen. Unbeschuhte europäische Füße sind halt etwas empfindlich. Eigentlich würden sich diese Anlagen hervorragend für die Fakir-Ausbildung eignen – aber die sind ja meist Moslems, haben also nix mit den heißen Böden buddhistischer Heiligtümer am Hut.

Häufige Wiederholung eines Baudenkmals

Das Besichtigen aller dreizehn Sehenswürdigkeiten in Anuradhapura dauert ein paar Stunden, selbst wenn man sich per Tuk-Tuk von einer zur nächsten bringen lässt (wie wir). Spätestens nach der dritten Stupa stellt sich bei so manchem Europäer das Gefühl ein, derlei schon mal gesehen zu haben. Und nach der zehnten breitet sich womöglich sogar Langeweile aus. Letztlich ist das so ähnlich wie Zwiebeltürme in Bayern anzugucken oder Kirchen in Georgien. Interessant, aber ein wenig eintönig. Und aus den Ruinen macht man hier bislang weniger als möglich wäre: Ein paar knappe Wörter zum König, der den Tempel errichten ließ, das war es meistens. Kulturelle und historische Hintergründe bleiben außen vor.
So sah es leider auch bei einem Krankenhaus aus dem 9. Jahrhundert aus: außer einem kurzen Text mit den Rahmendaten keine Erklärungen. Zu sehen gab es neben einer steinernen Wanne für Ölbäder nur Reste der Umrandungsmauern von Krankenzimmern (?). Es muss ja nicht wie in Disneyland aussehend, aber etwas mehr Anschaulichkeit würde nicht schaden.

Steinerne Wanne für Ölbäder in altem Hospital bei
Mihintale
Der Tuk-Tuk-Fahrer wusste, dass in dieser Wanne im Hospital von Mihintale Kranke mit Öl behandelt wurden.

Das heutige Sri Lanka gibt sich weniger zugeknöpft. Mit dem „Land des Lächelns“ verbindet man zwar üblicherweise China, aber besser passen würde der Beiname hierher. Lächeln begegnet einem hier an jeder Ecke und bei jeder Gelegenheit. Ob das immer freundlich gemeint ist oder manchmal Unsicherheit kaschiert – wer weiß. Jedenfalls steigert die Freundlichkeit das Wohlbefinden erheblich und macht einem die Umgebung trotz Staub und Hitze sympathisch. Sie hilft auch über Sprachbarrieren hinweg, denn viele Leute sprechen kein oder nur sehr wenig Englisch. In der ersten Unterkunft grinste ein Kellner gar so ausdauernd, dass man Flirtversuche vermuten konnte. Wir erfuhren nicht, ob es das war oder nur Ergebnis eines intensiven Customer-Care-Trainings.

Was außerdem auffällt: Tuk-Tuk-Fahrer und VerkäuferInnen aller Art nerven nicht. Ein einfaches „Nein, danke“ reicht. Ganz anders als in Indien und als im Lonely Planet beschrieben. Diese Reise-Bibel warnt auf jeder dritten Seite vor „Schleppern“ und anstrengenden VerkäuferInnen, die nicht ablassen von den westlichen Touristen. Haben wir nicht erlebt. Gar nicht. Dass das am Respekt für ältere Männer liegen könnte, ist eher unwahrscheinlich – wahrscheinlicher, dass die LP-Autoren ein paar negative Erlebnisse verallgemeinert haben. Derart vorbereitet dürften sich Leser durch jedes „Hello“ oder „Where are you from“ in ein Verkaufsanbahnungsgespräch hineingezogen wähnen. Gefühlte Belästigung, sozusagen.

Essen zwischen Straßenstand und Hotel

Beim lokalen Essen sind wir bislang noch nicht sehr weit vorgedrungen. Restaurants als Einzelbetrieb waren noch selten, sodass wir abends immer in Hotels landeten. Dort saßen wir meistens ganz allein in einem großen Speisesaal. Die Speisekarte in solchen Läden bietet alles von Rumpsteak über „italienische“ Pasta, thailändische Suppe bis zu indonesischem Bami Goreng. Was vielleicht Touristen ihr Heimweh vergessen lassen oder Weltläufigkeit verbreiten soll. Darüber kommt die sri-lankische Küche arg kurz, es gibt fast nur „Rice, Curry and Chicken“ (oder Fisch). Das ist meistens lecker und interessanter, als es sich anhört. Denn hinter „Curry“ stecken je nach Koch drei bis fünf Gemüse-Gerichte, die ebenso wie das Huhn oder der Fisch durchaus intensiv gewürzt sind. Dazu gibt es frisch frittiertes Papadam (eine Art knuspriger Fladen), in einem Fall angereichert mit genauso frisch frittierten Chilis. Diese Zubereitungsart hatte nicht nur die Schärfe, sondern auch den Geschmack beseitigt.

Roti-Koch brät den Teig
Gleich landet der Roti-Teig auf der heißen Platte. Im Vordergrund aufgereiht die Gemüse-Rotis.

Ganz original lokal sind „Roti“, die Straßenhändler für einen Spottpreis verkaufen. Diese dünnen Pfannkuchen (für Berliner: Eierkuchen), werden mit Gemüse gefüllt und zu dicken Dreiecken gefaltet. Alternativ besteht die Füllung aus einem Ei und ein bisschen Grünzeug und das Ganze wird zum dünnen Quadrat gefaltet. Ohne Rücksicht auf europäisch verzärtelte Gaumen, unsere Rotis waren ordentlich mit Chili gewürzt.

Ein Stapel Betelblätter auf dem Markt
Betelblätter verkaufen Markthändler in großen Gebinden. Die Zähne färben sich davon schwarz, die Spucke rot.

Um die Snacks, auf denen unter anderem Busfahrer stundenlang herumkauen, werden wir aber einen Bogen machen. Betelnüsse und -blätter sind immer noch recht populär. Auf dem Markt verkaufen Händler die Blätter bergeweise, und am Busbahnhof bastelten sich an jeder Ecke Leute aus ihnen und den anderen Zutaten ihre Zwischenmahlzeit. Färbt die Spucke rot (sofort) und die Zähne schwarz (später).

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