Rathaus saigon

Vietnamkrieg und Kunst in Saigon

7.3.2015

Die Älteren erinnern sich hoffentlich noch an die Zeit vor 1975 – Vietnamkrieg und so. Das Thema begegnet einem hier zwar nicht auf Schritt und Tritt, aber schon im historischen Museum spielt es eine große Rolle. Noch mehr natürlich im „War Remnants Museum“, das Überreste des Krieges ausstellt. Ein Besuch lohnt sich schon deshalb, weil gut zu sehen ist, dass sich die US-Politik in den letzten 50 Jahren nicht geändert hat. 1964 erfanden sie einen Angriff nordvietnamesischer Einheiten auf eines ihrer Schiffe im Golf von Tonkin und hatten so einen Vorwand, den Krieg zu beginnen. Heutzutage lügt man was über Massenvernichtungswaffen zusammen und marschiert in den Irak ein. Damals Massaker und Folter, heute wieder, und immer sind es nur Einzelfälle und Ausrutscher. Immerhin muss die irakische Bevölkerung nicht unter Agent Orange leiden, das ist ebenso wie Napalm erstmal diskreditiert. Apropos Agent Orange: Bis heute wurden die vietnamesischen Opfer nicht entschädigt. Einer der Hersteller von dem Zeug war Monsanto, die heute in Gentech und Saatgut machen.

Die beiden Museen sind erstaunlich sachlich, soweit das bei dem Thema überhaupt geht. Und sie machen verständlich, warum überall im Land nach unseren Maßstäben unhübsche, monumentale Gedenkstätten stehen. Auch die Ästhetik der Propagandaplakate ist noch nicht ausgestorben. Am Straßenrand findet man viele solcher Tafeln, und Läden verkaufen Nachdrucke historischer Plakate für fünf, sechs Euro.

Vietnamesisches Propagandaplakat: Schulen beschützen Propagandaplakat: Begrüßung zum 12. Parteitag der Kommunistischen Partei Vietnams
Vietnamesische Propagandaplakate im Krieg und heute

Kitsch und Pomp im Unabhängigkeitspalast

Noch ein drittes Gebäude hat vor allem historische Bedeutung: der Unabhängigkeitspalast. In den sechziger Jahren von einem französischen Architekten gebaut, diente es bis 1975 als Sitz des Premierministers. Der Besuch lohnt vor allem wegen der abenteuerlichen Einrichtung. Sie erinnert ein bisschen an die Vorstellung kleinstädtischer Fleischermeister von Schick – vieles ist so überladen, dass es eher ins Barock gepasst hätte.

Saigons Nationalpalast, ehemaliger Sitz des
südvietnamesischen Präsidenten
Der Unabhängigkeitspalast in Saigon, vormals Präsidentenpalast: außen sachlich…
Überdekorierter Saal im Nationalpalast von Saigon Zimmer im Nationalpalast von Saigon
… innen pompös

Auf dem Rückweg von diesem Palast haben wir uns das erste Mal in einen der Saigoner Stadtbusse gestürzt, was erfreulich unkompliziert verlief. An vielen Haltestellen hängt das Liniennetz aus, sodass man auch als Fremder zurechtkommt. Die Tickets kosten je nach Entfernung, wobei wir kein System erkennen konnten. Umsteigen darf man damit nicht, was für Einheimische schnell ins knappe Geld geht. Vermutlich ein Grund für die Mopedbegeisterung, zudem sind die Busse langsamer als die Knatterkisten. Jedenfalls bekommt man im Bus ohne weiteres einen Sitzplatz, und man überquert damit zahlreiche Straßen ohne Gefahr für Leib und Leben.

Wie üblich gingen wir auch ins Kunstmuseum, ohne große Erwartungen. In den anderem Ländern Südostasiens war hinsichtlich Moderner Kunst wenig los, zumindest haben wir wenig interessantes gesehen. Doch das Saigoner Museum war eine große Überraschung: voll mit interessanten Gemälden und Skulpturen. Anders als in Bali klebten die meisten aktuellen Werke nicht an den regionalen Maltraditionen. Das mag mit daran liegen, das die Franzosen zu Kolonialzeiten eine École des Beaux Arts gründeten, die viele vietnamesische Künstler ausbildete und ausbildet.

Abstrakte Kunst im Nationalpalast, Saigon Gemälde einer Straßenszene Gemälde: Stilleben mit Krug und Messer

Soldat:innen schwangen den Pinsel

Im Krieg beschäftigten auch die Guerilla und die nordvietnamesische Armee eigene ZeichnerInnen. Einige ihrer Werke waren auf der letzten Documenta zu sehen, und in Saigon hätte man welche kaufen können (in einer Galerie, versteht sich). Die verlangten Preise korrespondieren jedoch für unsere Begriffe nicht mit der Qualität der Bilder, die Rede war von über 2000 Dollar. Da sind wohl außerdem große Gefühle im Spiel. Neben dem Museum gibt es zig Galerien, deren Besuch sich lohnt. Und massenweise Läden, die industriell hergestellte Schinken verkaufen.

Zeichnung eines Vietcong-Kämpfers
Während des Vietnam-Krieges beschäftigten Guerilla und Armee eigene Zeichner.

In den Touristengebieten hier ist der Dollar zwar keine Zweitwährung, aber viele Preise werden darin angegeben. Das hat ganz praktische Gründe: Ein Dollar oder Euro kostet mehr als 20000 vietnamesische Dong. Man ist hier also ständig Millionär und läuft mit dicken Geldbündeln herum, die wenig wert sind. Preise in Dollar lassen sich einfacher lesen und wirken nicht so abschreckend auf die Kunden.

Theater ohne Prinz, Prinzessin und Affenkönig

Auch bei der darstellenden Kunst scheint sich in Vietnam mehr zu tun als sonst in der Region. Oder die Werbung ist einfach nur besser. Bislang hatten wir jedenfalls den Eindruck, dass man in Südostasien am liebsten ein rund 1000 Jahre alte indische Epos wieder inszeniert. Hier stolperten wir gleich am ersten Tag vor der Oper auf einen Werbestand der A-O-Show. Es war gerade „Happy Hour“, die Tickets deshalb billiger – um Werbegags ist man hier nicht verlegen. Am Abend guckten wir uns also in der alten plüschigen Oper rund zwanzig junge Menschen an, die allerhand Akrobatik mit und ohne Hilfsmittel aus Bambus vorführten. Die Jungs dankenswerterweise halbnackt. Keine ganz große Sache, aber sehr unterhaltsam, kurzweilig und gelegentlich lustig. Und kein indisches Epos um Prinz, Prinzessin und Affenkönig.

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