Uferpromenade hoi an

Geschichte, Idyll und kein Coming Out in Hoi An

13.3.2015

Von Saigon ging es ratzfatz per Flugzeug nach Da Nang im Norden. Das beherbergte mal die größte US-Basis und soll (sagt Tripadvisor) eine der 10 Top-Destinationen der Welt werden. Dafür spricht, was wir auf der nächtlichen Fahrt ins 30 Kilometer südlich gelegene Hoi An sahen: Die Stadt ist auf dem besten Weg, ähnlich interessant und reizvoll zu werden wie Benidorm, Antalya oder das mexikanische Cancun. Ein X-Sterne-Schuppen neben dem anderen am Strand, mit einer Mauer vor der Umgebung abgeschirmt, meilenweit weg vom Ort. Kein Grund für die Gäste, das Hotelgelände jemals zu verlassen.

Vollmond über dem Fluss bei Hoi An
Hoi An ist auch bei Vollmond angemessen pittoresk.

Hoi An wiederum ist das Kontrastprogramm dazu: vor der französischen Besatzung einer der größten Häfen der Region, steht heute die überwiegend chinesische Altstadt unter Denkmalschutz und ist ein beliebtes Ziel für Tagesausflüge. Keine großen Hotels im Ort. Am Eingang der „walking city“ wird man von Aufpassern freundlich aber nachdrücklich gebeten, ein Ticket zu kaufen: Es gewährt Eintritt zu fünf frei wählbaren von über zwanzig Sehenswürdigkeiten, und die Einnahmen fließen in den Erhalt der Altstadt. Das mit dem „Walking“ darf man nicht allzu ernst nehmen: Wenn nicht gerade Aufpasser rumstehen, hupen sich auch hier die Mopeds den Weg frei. Oder eine Kolonne mit Japanern gefüllter Fahrrad-Rikschas drückt die Fußgänger beiseite.

Schlange von Fahrrad-Rikschas mit japanischen Touristen, Hoi An
Fahrrad-Rikschas heißen hier Cyclo und sind das bevorzugte Fortbewegungsmittel japanischer Reisegruppen.

Häuser, die keine Denkmäler sind, fungieren als Restaurants oder Geschäfte. Viele andere auch, aber das merkt man erst im Innern. Außen steht „family home“ oder „family chapel“, drinnen ist es das auch irgendwie. Aber nach ein paar oft arg geradebrechten „englischen“ Erklärungen kommt das Verkaufsgespräch. Mal geht es um Seidenstickerei (wer Florales mag…), mal um sehr antike Münzen, mal um Aquarelle. Geschichte, Bräuche und Kultur geraten dabei häufig ins Hintertreffen. Wir haben eine Ausnahme erlebt, als eine junge Dame gut verständlich und interessant durch ihre Ahnenkapellen führte. Übrigens waren die Verkaufsversuche nie nervig, wer nicht kaufen mag, wird in Ruhe gelassen. Wir hätten uns nur mehr Information gewünscht und weniger Werbung.

Familienaltar im in einem musealen Haus, Hoi
An
Ein Familienaltar in einem musealen Haus in Hoi An. Im Hintergrund links Bilder der toten Männer, rechts die der Frauen. Weil es damals keine Gleichberechtigung gab, wie die Führerin erklärte.

Einerseits ist Hoi An ein Touristenkaff, andererseits macht das wenig. Man kann wunderbar den Tag damit verbringen, von einer Galerie zur anderen zu wandern und sich Kunst anzugucken. Neben dem üblichen Asien-Kitsch haben wir viele Läden gesehen, die interessante moderne Kunst verkaufen. Meistens Öl auf Leinwand, es gab aber auch Aquarelle chinesischer Art mit unchinesischen Motiven und Lackmalerei auf Holz im Stil der neuen Wilden.

Von Hoi An fährt ein Bus nach Da Nang, von dessen Benutzung alle Welt wortreich abrät. Die „Traveller“ auf Tripadvisor, weil sie angeblich ständig beim Ticketpreis abgezockt werden, und die Einheimischen, weil der Busbahnhof zu weit und die einstündige Fahrt zu lang sei. Außerdem könnten Uneingeweihte in Da Nang die Haltestelle für die Rückfahrt nicht finden. Eine Menge gute Gründe also, den Bus zu benutzen. Das abgezählt ausgehändigte Fahrgeld stellte den Schaffner zufrieden, und nach der Hälfte der Strecke fragte uns eine Fahrgästin, wo wir denn aussteigen wollten. Damit war auch das geklärt, der Bus hielt exakt vor dem Cham-Museum, unserem Ziel. Zurück ging es fast genauso einfach. Der Schaffner verlangte zwar die Hälfte mehr Geld, aber erfolglos, wofür uns ein Mitreisender stumm mit dem Facebook-Daumen lobte. Danach wollte der öffentliche Angestellte Wulf seine Swatch für 2 Dollar abkaufen, ersatzweise einfach wegnehmen. Das war lästig, aber nicht wirklich schlimm.

Reihe von steinernen Lingams. Museum, Da Nang
Wenig subtile Fruchtbarkeitssymbole der Cham. Meistens ist es nur eins, das eine Elefanten stolz machen würde.

Die Cham lebten hier bevor die Vietnamesen kamen. Vom 7. bis zum 11. Jahrhundert haben sie vor allem im Süden ähnliches gebaut wie die Khmer in Angkor Wat – stilistisch und hinsichtlich der Größe. Was man an Skulpturen im Museum (auch eine Hinterlassenschaft der Franzosen) sieht, ist aber großteils wesentlich besser erhalten als in Kambodscha.

Steinfries mit Apsara-Tänzern. Museum, Da Nang

Das gilt leider nicht für die eigentlichen Bauwerke etwa in My Son. Da ist häufig außer den Grundmauern kaum noch etwas übrig, denn unsere amerikanischen Freunde mussten da im Krieg große Mengen Bomben abwerfen. Natürlich ist das was ganz anderes als die Zerstörungen von Kunstwerken durch die Taliban und den IS, denn die Amis haben die Freiheit verteidigt. Die Vietnamesen bauen aus den Trümmern jetzt langsam wieder die Tempel auf, unter anderem mit italienischer, polnischer und deutscher Hilfe (Daimler!). Von US-Unterstützung war nichts zu sehen.

US-Granaten in einem Tempel von My Son Überwachsener Bombenkrater in My Son
In My Son sind die Spuren des Krieges unübersehbar; rechts ein inzwischen eingewachsener Bombenkrater.

In Hoi An bekamen wir quasi Familienanschluss. Einer der „Propagandisten“, die Kunden in ihr Restaurant locken wollen, war so charmant, dass wir gar nicht anders konnten. Super Essen, zum Beispiel die gegrillte Makrele. Der junge Mann, nennen wir ihn Ho, telefonierte flugs eine Bekannte herbei, die gerade sechs Monate als Au Pair in Deutschland verbracht hatte – damit sie mit uns weiter ein bisschen Deutsch übt. Lustige Idee, würde sich in Europa vermutlich kein Kellner trauen. Jedenfalls unterhielten wir uns gut mit ihr, und nach kurzer Zeit fragte sie, wie lange wir schon zusammen seien. 28 Jahre und verheiratet übersetzte sie brav für Ho, bei dem daraufhin ein ganzer Lampenladen anging. Er wollte gleich wissen, wie wir uns kennengelernt hätten, ob es auch mal Streit gebe und so weiter.

Anschließend lotste er seine Tante an den Tisch und berichtete ihr begeistert – wie ein kleiner Junge, der unterm Weihnachtsbaum die Playstation auspackt. Und so waren wir ungewollt Vorbilder für einen zwanzigjährigen Vietnamesen geworden. Dass er schwul ist, darf allerdings niemand wissen, schon gar nicht die Familie. Die Eltern und Geschwister könnten enttäuscht sein. Tantchen allerdings dürfte schon längst begriffen haben, was mit ihrem Neffen los ist. In Vietnam existiert seit kurzem wohl eine Art Homo-Ehe, die aber der traditionellen nicht gleichgestellt ist. Andererseits ist das Thema in der Öffentlichkeit gänzlich abwesend, es gibt kaum Bars, keine Organisationen, kein nennenswertes offen homosexuelles Leben. Ho lebt also in einer ähnlichen Situation wie Schwule in Deutschland in den 1950er Jahren, abgesehen von der Straffreiheit hier. Wir gingen ein paar Mal mit ihm aus und versuchten, ihm ein bisschen Mut zu machen. Nicht leicht, auch wegen der Sprachbarrieren. Er möchte jedenfalls möglichst bald möglichst weit weg. Auch das weiß die kluge Tante schon…

Rice patty mit Krabben, Restaurant in Hoi An
Das ist ein rice patty with prawns. Ursprünglich eingewickelt in ein Bananenblatt. Schmeckt so lala, aber besser als es aussieht.

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