Holzgeschnitzter daemon

Stöhnende Nudeln und knappe Vornamen

7.12.2013

Nach drei Tagen wurde es Zeit, aus Candidasa zu verschwinden: Das Hotel war so kuschelig, dass wir schon gar keine Lust mehr hatten, rauszugehen. Selbst zum Essen sind wir dort geblieben, was wir sonst immer vermeiden. Aber die Küche war gut, der Service prima und die Preise in Ordnung… Quatsch, natürlich waren die Preise wie überall hier unterirdisch niedrig. Das Drei-Gänge-Menü schlug mit 7,50 € zu Buche. Für ein Hauptgericht zahlt man hier zwischen 2 und 5 €. Zu den Niedrigpreisen mag auch beigetragen haben, dass die indonesische Rupie innerhalb eines Jahres fast 30% zum Euro verloren hat. Nur Alkohol ist unverhältnismäßig teuer; eine große Flasche Bier kostet über zwei Euro. Wie sagte ein Deutscher im Hotel so richtig: Ferien im Niedriglohnland. Nicht herzukommen, ändert auch nichts an den Verhältnissen, und wir lassen uns zum Ausgleich beim Einkaufen meist über den Tisch ziehen.

Wasserpalast von Tirta Gangga im Regen, Bali

Von Candidasa aus haben wir uns – wieder mit Fahrer, weil das fürs Radfahren zu weit und hügelig gewesen wäre – die Wasserpaläste in Tirta Gangga und Ujung angeguckt. Die Anlagen heißen so, weil einige der Gebäude in künstlichen Seen stehen. In Tirta Gangga fing es zu schütten an, sodass es rundum wässrig zuging. Die Ensembles kombinieren asiatische Verspieltheit mit strengem Barock, der sich zum Glück bei den Gärten nicht durchgesetzt hat. So gibt es zwar Sichtachsen und Symmetrie, aber das Gesamtbild ist eher freundlich-farbig als streng-strukturiert. Gebaut wurden die beiden Paläste im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, was man ihnen nicht ansieht. Ein paar Jahrzehnte später wackelte es im Untergrund gewaltig, sodass man sie wieder aufbauen musste.

Wasserschloss im Palast von Ujung, Bali

Die letzten Tage verbringen wir an der Südostküste in Sanur, das zur Hauptstadt Denpasar gehört. Das ist der älteste Touristenort hier, und die Besucher sind überwiegend auch schon ziemlich gesetzt. Immerhin gibt es hier nur eine unübersehbare Bausünde. Nach diesem Betonklotz wurde festgelegt, dass Gebäude nicht höher als die Palmen sein dürfen. So sieht man selbst von großen Hotels vor allem die Freiflächen, auf denen sich häufig Bungalows verteilen. In so etwas wohnen wir auch – weniger stylisch als bislang, aber ruhig und an der Kante des Zentrums.

Schild mit Werbung für „deutschspaechige“ Fahrer
Den Touristen kommt man in Bali auch schprächlich weit entgegen.
Speisekarte in Sanur bietet „Lasagne al porno“ an
Stöhnauflauf. Der Weltgeist weht, wie und wo er will.

Und weil wir schon so viele Tempel und andere architektonisch bedeutsame Gebäude hatten, war jetzt der hiesige Orchideengarten dran. Heldenhaft haben wir die paar Kilometer dahin mit dem Mietrad zurückgelegt. Anfangs auf der recht leeren Strandpromenade, danach auf der lokalen Ausprägung von Autobahn. Zwar nicht so illegal wie zu Hause, aber trotzdem keine schöne Erfahrung. Immerhin bekamen wir auf den letzten paar hundert Metern eine Eskorte: Vorne und hinten rahmte uns je ein Mopedfahrer ein, damit wir den Garten finden und nicht unterwegs unter die Räder anderer Mopeds kommen. Der Frontmann hatte noch weitere Pläne und wollte uns unbedingt eine Tour mit sich als Fahrer aufschwatzen, erfolglos. In dem großen Garten blühten überwiegend Phalaenopsen (aka „Bauhaus-Orchidee”), Vandeen und Dendrobien. Ein paar Oncidien gab es auch, und je eine Coelogyne und ein Bulbophyllum. Ich hätte mir mehr Abwechslung gewünscht, aber die müssen vermutlich ein weniger spezialisiertes Publikum bedienen, und das braucht große bunte Blüten mit hohem Wiedererkennungswert. Im dortigen Café haben wir uns ein Tässchen vom gekackten Katzen-Kaffee gegönnt. Schmeckte weniger ruppig als der nicht durch den Verdauungstrakt gereiste lokale, aber mir sind die in Deutschland üblichen Varianten lieber.

Wulf wartet im Orchideengarten
Pflanzen im Orchideengarten von Denpasar
Klare Aufgabenteilung … im Orchideengarten

Der erwähnte geschäftstüchtige Frontmann hieß übrigens Ketut. Er hätte auch Wayan, Made, Putu, Nyoman, oder Gede heißen können. Aber das war es im Wesentlichen für die 90 Prozent der Balinesen, die zur untersten Kaste gehören. Das geht nämlich so: Das erste Kind heißt in der Regel Wayan, das zweite Made, das dritte Nyoman und das vierte Ketut. Danach geht’s wieder mit Made los, weil es nur ein Wayan pro Familie geben darf. Das bedeutet auch, dass das erste Kind eines Wayan etwa Gede heißt. Kollidiert das mit dem Großvater, wird es Putu genannt. Damit man im Geschriebenen das Geschlecht erkennt, bekommen Jungs ein „I” und Mädchen ein „Ni” vorangestellt. Relativ sparsam also, man muss weder über Schreibweisen (Maik/Mike, Deniz/Denis) noch über die „Eindeutigkeit” nachdenken (Kim?). So schreibt es der Reiseführer, und so hat es uns ein „I Gede” erzählt – sein Sohn heißt Putu. Bei den anderen drei Kasten gelten ähnliche Regeln, aber Vornamen sind für alle ein knappes Gut, mit dem man nicht rumaast.

Kurzes Bildungsprogramm …

Im Zentrum des Spaziergangs im Nationalpark von Pemuteran standen die Mangroven. Von denen gibt es vier wesentliche Arten: die mit stelzenartigen Wurzeln, die mit einem weit verteilten Netz von aus dem Boden guckenden Wurzeln, die Salt Sucker und die letzten hab’ ich vergessen. Irgendwie beglücken sich alle vier gegenseitig, sodass Salzgehalt und Feuchtigkeit für alle ok sind. Am beeindruckendsten fand ich die aus dem Boden nach oben strebenden Luftwurzeln: Damit atmet der Baum, wenn seine eigentlichen Wurzeln komplett im Wasser stehen. Er schiebt sie wenn nötig zehn, zwanzig Meter vom Stamm entfernt aus dem Modder.

Baum in den Mangroven bei Pemuteran mit Luftwurzeln
Die Pömpel im Vordergrund sind die Atemwurzeln des Baums.

Oben haben die Wurzeln ein Loch zum Einsaugen der Luft. Salt Sucker wiederum regulieren den Salzgehalt des Wassers, indem sie bei Bedarf Salz auf ihren Blättern auskristallisieren. Ich hab’s probiert, es klebt wirklich Kochsalz auf den Blättern.

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