Blick auf den berg von kazbegi

Georgiens Ayers Rock heißt Kazbegi

11.10.2016

Wir wollten pfiffig sein und nahmen den kurzen Weg von Telavi nach Kazbegi, hoch in den Bergen und kurz vor der russischen Grenze. Dass die Straße in der Karte weiß eingetragen war, hätte wohl zu denken geben sollen. Allein, was weiß schon Google und seine Routenplanung… 170 Kilometer weiter und sechs Stunden später hatten wir viel gelernt. Unter anderem, dass weiße Straßen noch schlechter sein können als alles, was einem in Kuba unter die Räder kommt. Dieses georgische Exemplar bestand aus 25 Kilometern Schotter in grob und extra grob. Zur Auflockerung trugen Schlaglöcher und einspurige Abschnitte bei.

Als das geschafft war, gab es zur Belohnung eine super asphaltierte Strecke – die wenig später nach einem Schild mit den Worten „We apologise for the inconvenience“ in eine noch schotterigere Schotterpiste als die vorherige überging. Da rutschte das Auto schließlich auf einem einspurigen Abschnitt halb in den Graben, aus dem es drei kräftige Männer rausschieben mussten. Fast ein bisschen zu viel Abenteuer, aber der Wagen hat wenigstens ein gründliches Unterboden-Peeling bekommen.

Schotterpiste zwischen Television und Kazbegi in Georgien
Eine original georgische Landstraße, die uns 25 Kilometer und zwei Stunden beschäftigte.

Hübsch auch, dass Kühe hier wie in Indien ein ausgeprägte Affinität zu Straßen pflegen. In Indien handelt es sich immer nur um einzelne Exemplare, während die Tiere hier in Gruppen bis hin zur Herde den Verkehr begutachten oder beruhigen. Auf einer Schotterpiste stört das nicht weiter, da steht das Auto, kaum dass man vom Gas geht. Aber auf der Autobahn und Schnellstraßen löst das massenhafte Auftreten von Rindviechern schon mal größere Adrenalinstöße aus. Die Tiere bleiben dabei jederzeit genauso lethargisch wie ihre manchmal anwesenden Hirten und trotten, wohin auch immer sie gerade wollen. Oder bleiben einfach stehen. Anders die Hunde: Sie haben gelernt, dass Autos schneller und stärker sind und gehen ihnen aus dem Weg. Die das nicht gelernt haben, treten nicht mehr in Erscheinung.

Kühe auf der Landstraße in Georgien
Georgische Kühe gehen begeistert auf Straßen spazieren.

Plumbers Art auf Georgisch

Auf der Fahrt erfreuten uns in den Dörfern immer wieder die Meisterwerke der hiesigen Rohrleger. Gasleitungen verlaufen grundsätzlich über der Erde, was zu kilometerlangen wunderlichen Gebilden führt, je nach Alter in knallgelb oder rostrot. Vor jeder Einfahrt geht es auf drei bis vier Meter hoch und danach wieder runter, danach mehr oder weniger waagerecht bis zum nächsten Zähler oder zur nächsten Einfahrt. Damit die Konstruktion überhaupt stehen bleibt, wird sie alle zwei, drei Meter mit einem senkrechten Rohr abgestützt. Was eigenartige Winkel und verworrene Verzweigungen angeht, können deutsche Klempner hier noch was lernen.

Gelbes Gasrohr Gasrohr mit Zähler
Ob gelb oder rostrot, Gasrohre in Georgien müssen künstlerisch arrangiert sein.

Gelohnt hat sich der Ritt nach Kazbegi auf jeden Fall. Denn am Ende landeten wir zweitausend Meter hoch im Kaukasus, und dazu fallen nur abgegriffene Beschreibungen wie wild, majestätisch, beeindruckend etc. ein. Sieht jedenfalls klasse aus mit dem Schnee ganz oben und den schon gelbgefärbten Bäumen darunter. Kazbegi, das jetzt offiziell Stepantsminda heißt (ungefähr Heiliger Stefan), ist offenbar Pflicht für Georgien-Reisende – so wie Ayers Rock für Leute, die nach Australien fahren. Bei beiden geht es um religiös aufgeladene Berge. Der Aufstieg ist beschwerlich, und oben gibt es eigentlich nix zu sehen. In Australien im besten Fall einen Sonnenaufgang, hier verlässlich eine Kirche.

Hinter dem Kloster von Kazbegi
Hinter dem Kloster Kazbegi liegen die Höhen des Kaukasus.

Steil oder staubig zur Kazbegi-Kirche

Wichtiger Unterschied zu Ayers Rock: Es führt eine Art Straße zur Kirche, befahrbar nur mit hochrädrigen Fahrzeugen. Die Einheimischen bieten die 6 km als Dienstleistung an, für abenteuerliche Preise. Von Ausländern verlangen sie rund 28 Euro, von Georgiern acht. Was auch zu viel ist. Deshalb quälen sich viele die fast 500 Höhenmeter hinan. Immerhin ist es weniger steil und heiß als in Australien, und man muss auch nicht im Gänsemarsch hoch kraxeln. Zumal alternativ der Fahrweg einen flacheren, aber staubigen Aufstieg erlaubt. Von außen sieht die Kazbegi-Kirche aus wie alle hier. Innen ist sie dunkel wie eine Höhle, es scheint ein paar Fresken zu geben und natürlich Ikonen. Fotografieren verboten. Drumherum schlendern bärtige Herren in bodenlangen schwarzen Gewändern. Visuell kein großer Unterschied zu Islam-Gelehrten.

Zwei Wanderer in Kazbegi
Hochgerüstet, Selfie-Stick und Kamera immer bereit: westliche Spaziergänger in Kazbegi

Kazbegi und seine Berge nutzen viele westliche Touristen, um endlich mal ihre teure Outdoor-Ausrüstung vor- und auszuführen. Man trägt möglichst grellfarbige Funktionskleidung, Wanderschuhe, Nordic-Walking-Stöcke und einen Rucksack, der Proviant für mindestens drei Tage fasst. Und eine große, volle Wasserflasche. Das alles für einen Ausflug von maximal drei Stunden. Die Georgier gehen einfach los, in leidlich festen Schuhen. Oft sind sie sogar schneller als die hoch gerüsteten Touristen. Es gibt allerdings auch seriöse und Wanderer hier, die Touren von mehreren Tagen unternehmen. Dafür brauchen sie einen Führer, denn markierte Wege findet man hier noch nicht. Für uns war das zumindest diesmal nichts.

Nach Kazbegi fuhren wir noch für ein paar Tage nach Bordschomi und machten von dort aus einen Ausflug zu der zauberhaften Burg von Akhaltsikhe.

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