Innenstadt von ruse nachts

Balkan-Splitter

27.10.2015

Offenbar sehen wir nicht wie typische Deutsche aus. So hielt man uns auf dem Balkan bereits für Palästinenser auf der Flucht (von einem Schlepper in der Türkei), Türken, Griechen, Bulgaren und Rumänen. Für Deutsche noch nicht. Häufig reicht ein einziges Wort in der Landessprache, um mental eingemeindet zu werden. Mehr haben wir ja ohnehin nicht drauf.

Junge bulgarische Männer zeigen eine irritierende Begeisterung für sehr kurze Kurzhaarfrisuren. In Kombination mit ihren Klamotten lösen sie bei uns immer Assoziationen an Nazis aus. Vermutlich zu Unrecht, wir haben bislang nur ein gesprühtes Hakenkreuz gesehen.

Durchtrainierte balkanische Jungspunde auf einem Parkplatz
Diese Sportler sehen vermutlich nur zufällig unseren Nazis ähnlich.

Taxifahrer sind meisten völlig ok und schalten den Taxameter ein. Dann zahlt man einen Spottpreis und muss ein üppiges Trinkgeld geben, um sich nicht wie ein fieser Ausbeuter zu fühlen. In Russe (Pyce) an der rumänisch-bulgarischen Grenze wollte uns ein Fahrer eigentlich zur Kasse bitten und ließ den Taxameter aus. Als er dann aber die Straße nicht fand und wir ihm gemeinsam mit Google den Weg weisen mussten, war’s ihm so peinlich, dass er nur den üblichen Betrag verlangte. Taxifahrer sind eben meistens völlig ok.

Riesige Pizza für wenige Cent,
Plovdiv/Fußgängerzone
Ein Mittagessen für 0,90 € in Plovdiv

Bulgarien und Rumänien haben die niedrigsten Preise aller EU-Staaten, etwa die Hälfte der deutschen. Das wäre vielleicht bei entsprechenden Löhnen ok. Die liegen aber zwischen 240 und 400 Euro im Monat. Für ein Bier zahlt man in Bulgarien 1,20 bis 2,50 Euro, ein Abendessen für zwei ist nur schwer für mehr als 30 Euro zu bekommen. Markenprodukte wie Jeans, Smartphones oder Rasierklingen kosten genauso viel wie bei uns, Elektronik dürfte eher teurer sein. Nochmal ein Taxifahrer: „Früher lebten wir in einem Gefängnis mit Zäunen, jetzt in einem ohne.“ Denn vor 1989 durfte man nicht reisen, jetzt könne man nicht. Er selbst allerdings hatte ein Jahr in London gelebt.

Mundharmonikaspielerin in der Fußgängerzone von
Sofia
Modernisierungsverlierer müssen Musik machen wie hier in Sofia, Blumen verkaufen oder gleich betteln.

In Bulgarien und Rumänien wird praktisch nie jemand im Aufzug erschossen (oder im Museum). Durch Zufall haben wir herausfinden können, woher das kommt: Schilder untersagen das Mitbringen von Schusswaffen (vielleicht auch nur das Benutzen, so genau lässt sich das nicht sagen). Etwas verunsichern muss aber, dass das Verbot für Kirchen offenbar nicht gilt, dort sind nur kurze Hosen (bei Frauen) und Kameras (bei allen) untersagt. Man liebt hier Icons, nicht nur in den Kirchen.

Plakat mit Verbotsschildern an einem Bankeingang. Veliko Tarnovo Liste mit Verboten an einem Aufzug in Plovdiv
Essen ist in der Bank (links) erlaubt, Schießen aber dort und im Aufzug (rechts) nicht.

Plakat mit Verbotsschildern an einem Museumseingang.
Bukarest
Kein Eis im Museum in Bukarest. Klar, aber was ist mit Pommes? Darf man sein Fahrrad mitnehmen, muss aber den Roller draußen lassen?

Raucher dürften sich hier wie im Paradies fühlen. Geknarzt wird drinnen und draußen, im Restaurant, im Taxi, ganz egal. Wenigstens im Bus verzichten die Fahrgäste, wenn auch nicht unbedingt der Fahrer. Gelegentlich gibt es einen Nichtraucher-Bereich im Restaurant, aber das ist eher die Ausnahme.

Bürgersteige bergen ein ähnliches Unfallrisiko wie in Südostasien und die Straßen von Plovdivs Altstadt. Einziger, aber wichtiger Unterschied: Hier verläuft meist nicht die offene Kanalisation direkt unter den bröckelnden Betonplatten. Man bricht sich also höchstens die Haxen, muss aber kein Scheißebad fürchten.

Zerbrochene Kanaldeckel, Bürgersteig in Sofia Zerbrochene Gehwegplatten in Sofia
Kein Spaß am Tag, nachts richtig gefährlich: Bürgersteige in Sofia.

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